Dies ist die Geschichte einer erfolgreichen, modernen Unterrichtsentwicklung. In dieser dokumentarischen Geschichte haben die Lehrerinnen und Lehrer auf der Grundlage der Rahmenrichtlinien und reformpädagogischen Modellen ihren Unterricht reflektiert und neu konzipiert. Daraus erklärt sich auch der Titel dieser Dokumentation: „Schule neu gedacht – Schule neu gemacht“. Der Aufbau der Dokumentation ahmt die zeitliche Abfolge der Unterrichtsentwicklung nach. Wir beginnen mit der Diskussion der Grundlagen der Unterrichtsentwicklung. Wir diskutieren die Rahmenrichtlinien und zeigen die pädagogischen Elemente der reformpädagogischen Modelle in ihrer Bedeutung für eine zeitgemäße und moderne Unterrichtsentwicklung.
Im zweiten Teil der Dokumentation kommen dann hauptsächlich die Lehrerinnen und Lehrer zu Wort, die diese Unterrichtsentwicklung mit ihrem Engagement und ihrem professionellen Studium getragen haben und noch immer weiter entwickeln. Sie zeigen mit der literarischen Darlegung ihrer unterrichtlichen Arbeit und ihrem Denken über Kinder und Pädagogik, wie Lehrerinnen und Lehrer sich auf den Weg machen können, um ihren Unterricht zu gestalten und zu entwickeln. In diesem Sinne soll diese Geschichte allen Lehrerinnen und Lehrer Mut machen, Unterricht, Schule und sich selbst zu entwickeln und ihre professionelle gestalterische Kraft zur Verbesserung des Unterrichts und der Schule im Sinne einer Individualisierung des Lernens einzusetzen.
Schule neu gedacht – Schule neu gemacht – Teil 1
Die moderne Schule
Reformpädagogische Unterrichtsentwicklung
Dies ist die Geschichte einer erfolgreichen, modernen Unterrichtsentwicklung. In dieser dokumentarischen Geschichte haben die Lehrerinnen und Lehrer auf der Grundlage der Rahmenrichtlinien und reformpädagogischen Modellen ihren Unterricht reflektiert und neu konzipiert. Daraus erklärt sich auch der Titel dieser Dokumentation: „Schule neu gedacht – Schule neu gemacht“. Der Aufbau der Dokumentation ahmt die zeitliche Abfolge der Unterrichtsentwicklung nach. Wir beginnen mit der Diskussion der Grundlagen der Unterrichtsentwicklung. Wir diskutieren die Rahmenrichtlinien und zeigen die pädagogischen Elemente der reformpädagogischen Modelle in ihrer Bedeutung für eine zeitgemäße und moderne Unterrichtsentwicklung.
Im zweiten Teil der Dokumentation kommen dann hauptsächlich die Lehrerinnen und Lehrer zu Wort, die diese Unterrichtsentwicklung mit ihrem Engagement und ihrem professionellen Studium getragen haben und noch immer weiter entwickeln. Sie zeigen mit der literarischen Darlegung ihrer unterrichtlichen Arbeit und ihrem Denken über Kinder und Pädagogik, wie Lehrerinnen und Lehrer sich auf den Weg machen können, um ihren Unterricht zu gestalten und zu entwickeln. In diesem Sinne soll diese Geschichte allen Lehrerinnen und Lehrer Mut machen, Unterricht, Schule und sich selbst zu entwickeln und ihre professionelle gestalterische Kraft zur Verbesserung des Unterrichts und der Schule im Sinne einer Individualisierung des Lernens einzusetzen.
Teil 1 – Reformpädagogik und Rahmenrichtlinien als Basis einer Unterrichtsentwicklung
Eine Unterrichtsentwicklung, die die Verwirklichung der in den Rahmenrichtlinien enthaltenen Unterrichtsprinzipien, die Anwendung adäquater Methoden und die entsprechende Gestaltung der Unterrichtsorganisation zum Ziele hat, bedarf pädagogischer Modelle nach denen der Unterricht in einer Schule als lernender Organisation von allen Beteiligten professionell entwickelt wird. Didaktische Prinzipien, Methoden und Organisation bilden dabei eine Ganzheit, in der sich diese drei Bereiche immer wieder gegenseitig bedingen und in ihrer Entwicklung voneinander abhängig sind. In diesem Zusammenhang möchten wir zeigen, dass die in den Rahmenrichtlinien enthaltenen Unterrichtsprinzipien eine Entsprechung in den Prinzipien der reformpädagogischen Modelle finden und dass in diesen ebenso die Methoden und die Unterrichtsorganisation diskutiert werden und als Grundlage für eine „Nachschöpfung“ im Sinne einer modernen Unterrichtsentwicklung Verwendung finden werden.
Zuerst gilt es zu daher zu zeigen, welche Unterrichtsprinzipien aus den Rahmenrichtlinien in einem modernen Unterricht umgesetzt werden sollen. In einem zweiten Schritt werden wir darstellen, wie die Modelle der Reformpädagogik in ihren Intentionen den Unterrichtsprinzipien der Rahmenrichtlinien gleichen. Diesen Vergleich betrachten wir als Voraussetzung, auf Grundlage der reformpädagogischen Modelle eine Unterrichtsentwicklung durchzuführen, die den Intentionen der Rahmenrichtlinien entspricht. In einem dritten Schritt werden wir die Unterrichtsentwicklung dokumentieren. Die Dokumentation soll Lehrerinnen und Lehrern helfen, ihre eigene Unterrichtsentwicklung mit Mut und Engagement anzugehen und sich auf die Entwicklung des eigenen Unterrichts und ihrer Persönlichkeit einzulassen. Zunächst aber: Was wollte die Reformpädagogik damals und was will die moderne Unterrichtsentwicklung heute? Wir werfen erst einmal einen „blikk“[1] auf die Rahmenrichtlinien.
Rahmenrichtlinien
Als die Arbeit an der Unterrichtsentwicklung startete, mussten wir von einem Entwurf der Rahmenrichtlinien ausgehen, da diese noch in Diskussion waren. Doch schon in diesem Entwurf waren die Übereinstimmungen mit den Modellen der Reformpädagogik und den internationalen Trends in Europa offensichtlich und die Modernität des Entwurfes Ausdruck einer wegweisenden Professionalität der Schulbehörde.
Die Rahmenrichtlinien diskutieren nicht mehr Lernziele, sondern entsprechen in ihrer Kompetenzorientierung den Perspektiven der OECD. Im Mittelpunkt der Bildungsarbeit steht die Entwicklung der Persönlichkeit der Lernenden, der Kinder und Jugendlichen: „Die Richtlinien knüpfen an europäische und internationale Entwicklungen an. Sie sind auf ein Lernen nach Kompetenzen ausgerichtet und schaffen Kontinuität in der Bildungsarbeit von der Grund- bis zur Mittelschule. Dabei spiegeln sie ein neues Verständnis von Lernen wider. Im Mittelpunkt aller Bildungstätigkeiten stehen die Kinder und Jugendlichen in ihrer Einzigartigkeit und in ihrer Beziehung zu anderen und zur Mitwelt. Die Individualisierung und die Personalisierung des Lernens spielen in diesem Zusammenhang eine bedeutsame Rolle.“ (Deutsches Schulamt, 2009)
Die Rahmenrichtlinien sind eine Aufforderung an die einzelnen Schulen zur curricularen Umsetzung und vor allem zur methodischen Konkretisierung. In diesem Sinnen sehen die Verfasser der Rahmenrichtlinien die Schulen auch als eine zu entwickelnde und lernende Organisation, die sich den Bedürfnissen der Lernenden und den Ansprüchen der Gesellschaft als gewachsen erweisen muss. Schule und Unterricht müssen sich entwickeln: „Bei der Erarbeitung der Rahmenrichtlinien ging es darum, möglichst offene Formulierungen zu wählen und nur essenzielle Dinge als verbindliche Vorgabe zu definieren. Deshalb wurde bewusst auf die Angabe von methodischen Hinweisen und Umsetzungsvorschlägen, Beispielen und Präzisierungen zu allen möglichen Inhalten verzichtet. Bei der Auswahl der Kompetenzziele, Fähigkeiten, Haltungen, Fertigkeiten und Kenntnisse waren vor allem die Fragen nach dem Bildungswert, der inhaltlichen Relevanz für die Lernenden, die exemplarische Bedeutung für das Fach von Bedeutung.
Die Rahmenrichtlinien erfordern bei ihrer Umsetzung in die Praxis von den Schulen ein hohes Maß an fachlicher und organisatorischer Professionalität: Aufgabe der Schulen ist es, durch die curriculare Planung die eigene Bildungsarbeit so zu gestalten und Lernprozesse und Lernumgebungen zu schaffen, die es den Schülerinnen und Schülern ermöglichen, auch auf individuellen Lernwegen die verbindlich vorgegebenen Kompetenzziele zu erreichen.“ (Deutsches Schulamt, 2009)
Der Lernbegriff und die Unterrichtsprinzipien
Nach dem in den Rahmenrichtlinien enthaltenen Grundverständnis von Lernen ist Lernen „ein aktiver Vorgang, der sich immer individuell vollzieht und auf Vorwissen und bereits Gelerntem aufbaut.“ (Entwurf der Rahmenrichtlinien des Deutschen Schulamtes, 2003/4.) Wichtigstes Ziel des Lernprozesses ist immer die Bildung und Erweiterung Handlungskompetenz. Der Aufbau und die Erweiterung von Handlungskompetenzen erfolgt in einem aktiven Lernprozess, in einem handlungsorientierten Lernen. Nach den Rahmenrichtlinien konstruieren die Lernenden auf der Grundlage der eigenen Erfahrungen und Wahrnehmungen, an konkreten Situationen und im Dialog mit anderen Menschen neues Wissen und erweitern ihre so Handlungskompetenz. Dieses so erworbene Wissen soll dem Anspruch genügen, dass es für die Lernenden „handlungsleitend“ sein soll – ein sehr hoher pädagogischer Anspruch. Einem internationalen Trend folgend, soll der didaktische Fokus vom Unterrichten zum Lernen verlagert werden, von der Reproduktionsleistung zum aktiven und initiativen Handeln: „Für die Schülerinnen und Schüler sind jene physischen, emotionalen und kognitiven Fähigkeiten und Haltungen wichtig, die sie dazu befähigen, auf neue Situationen angemessen zu reagieren.“ (Entwurf der Rahmenrichtlinien des Deutschen Schulamtes, 2003/4.) Als Schlüsselkompetenzen, die unsere Kinder in der Schule erreichen sollen, werden folgende Kompetenzen genannt:
Kreativität,
Flexibilität,
vernetztes Denken,
Lernkompetenz,
Eigeninitiative,
Planungskompetenz,
Kommunikations- und Kooperationskompetenz,
Problemlösekompetenz,
Umgang mit Information und Wissen.
Diese Kompetenzen werden als Grundlagen für eine erfolgreiche Lebensgestaltung angesehen und genannt. Wir werden diese Kompetenzen auch den in den OECD-Berichten genannten Schlüsselkompetenzen gegenüberstellen und zu interpretieren versuchen.
„Die Unterstufe (das sind Grundschule und Mittelschule – d. Verf.) garantiert allen Kindern und Jugendlichen jene kulturellen, zwischenmenschlichen, didaktischen und organisatorischen Bedingungen, die eine volle Entfaltung der eigenen Person, unabhängig von Geschlecht, Rasse, Sprache, Religion, politischen Anschauungen sowie persönlichen und sozialen Verhältnissen ermöglichen. Sie zielt auf die Erweiterung der Selbst- und Sozialkompetenz und die Entwicklung von Reflexions- und Kritikfähigkeit ab und schafft die Voraussetzungen für ein lebensbegleitendes Lernen.“ (Entwurf der Rahmenrichtlinien des Deutschen Schulamtes, 2003/4.)
Als Schlüsselbegriffe begegnen uns in diesem Absatz der Rahmenrichtlinien die Begriffe der Entfaltung, die Selbstkompetenz und das lebensbegleitende Lernen. Wir werden diesen Begriffen während der Diskussion der reformpädagogischen Modelle wieder begegnen. Aufgabe der Schule ist es nun, den Kindern zu helfen, ihre eigene Persönlichkeit zu entwickeln und Lernen als lebensbedeutende Fähigkeit zu verstehen und zu akzeptieren.
„Weiters bietet die Schule allen Kindern und Jugendlichen die Gelegenheit, die Werte der gegenseitigen Achtung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Zusammenarbeit, des sachkundigen und verantwortungsbewussten Einsatzes, der Kooperation und der Solidarität konkret zu leben und systematisch einzuüben. Damit legt sie die Grundlage für die Entwicklung zu mündigen Bürgerinnen und Bürgern des Landes, Europas und der Welt, die sich der Vernetzung und der globalen Verantwortung bewusst werden.“ (Entwurf der Rahmenrichtlinien des Deutschen Schulamtes, 2003/4.)
Die Inklusive Schule
In den Rahmenrichtlinien wird die Rolle der Erziehungsgemeinschaft immer wieder hervorgehoben, in der und durch die es den jungen Menschen möglich wird, ihre Persönlichkeit zu entwickeln. In diesem Sinne betonen die Autorinnen und Autoren der Rahmenrichtlinien der inklusiven Charakter der Schule: „Die Schule baut durch einen auf dem Grundgedanken der Inklusion beruhenden Unterricht die Haltung auf, Unterschiede der Personen und Kulturen als Reichtum zu verstehen und dem Anderssein mit n Respekt und Toleranz zu begegnen. Kinder mit Migrationshintergrund erleben, dass ihrer Muttersprache Wertschätzung entgegengebracht wird. Die Schulen bemühen sich aktiv um einen kontinuierlichen Dialog mit den Familien zum gegenseitigen Austausch und zu einer konstruktiven Zusammenarbeit.“ (Entwurf der Rahmenrichtlinien des Deutschen Schulamtes, 2003/4.) Der inklusive Charakter der Schule zeigt sich ebenso in der Kooperation mit den Eltern. Sie sind es, die die Schule ihrer Kinder auch akzeptieren können müssen und die ebenso in die Gestaltung einer lernenden Institution verantwortungsvoll integriert werden müssen.
Den Erwerb von Basiskompetenzen fördern
Die Basiskompetenzen der Rahmenrichtlinien zeigen den großen Fortschritt in der pädagogischen Diskussion. Diese Kompetenzen beziehen sich nicht nur auf das Wissen und das Können der Schülerinnen und Schüler, sondern betonen zusätzlichen den sinnstiftenden Charakter der Schule, indem die Schülerinnen und Schüler, ihren Lebensentwurf denken, reflektieren und gemeinschaftlich erleben können: „Kompetenzen entstehen vor dem Hintergrund der kontinuierlichen Interaktion zwischen Person, Umwelt und Gesellschaft. Sie ermöglichen komplexes Handeln, welches die Ganzheit der Person umfasst. Dabei werden Fertigkeiten, Fähigkeiten, Kenntnisse, eigene Gefühle, Werthaltungen, Erfahrungen, Einstellungen, Motivation und Ziele miteinander vernetzt. Das Bildungsziel der Schule gilt dann als erreicht, wenn sich die operativen Fertigkeiten und Fähigkeiten (das Können) und die disziplinären und interdisziplinären Kenntnisse (das Wissen) zu persönlichen Kompetenzen (das Sein) der Schülerinnen und Schüler entwickelt haben. Jugendliche sind dann kompetent, ihr eigenes Leben zu gestalten, ihren Bildungsweg fortzusetzen und sich auf die Arbeitswelt vorzubereiten, wenn sie in der Lage sind:
– über sich selbst nachzudenken, die eigenen Fähigkeiten zu erkennen, die eigene Zukunft verantwortlich zu planen und bei Bedarf auch Hilfe zu suchen;
– ihrer Persönlichkeit auf vielfältige Art Ausdruck zu verleihen;
– sich für die Zusammenarbeit mit den anderen zu öffnen und durch persönlichen Einsatz an der Verwirklichung einer humanen Gesellschaft beizutragen;
– die eigenen Handlungen und Verhaltensweisen und die der anderen auf der Grundlage geeigneter Beurteilungsinstrumente einzuschätzen und zu bewerten;
– bei der Bewältigung von Anforderungen auf vorhandenes Wissen, auf Erfahrungen und Strategien zurückzugreifen, sich erforderliches Wissen anzueignen, Zusammenhänge zu erkennen, angemessene Handlungsschritte zu planen und Entscheidungen zu treffen;
– ethische und religiöse, demokratische und soziale, kulturelle und ästhetische Werte zu erkennen und die Lebensentscheidungen sowie das eigene Verhalten danach auszurichten;
– sich den großen Fragen über die Welt, über sich selbst und die anderen zu stellen und dabei sinnstiftende Antworten und Begründungen zu suchen, gleichzeitig aber auch die eigenen Grenzen zu erkennen und anzunehmen.“ (Entwurf der Rahmenrichtlinien des Deutschen Schulamtes, 2003/4.)
Selbstevaluation
„Die Unterstufe ermöglicht es Lernenden, die eigenen Fähigkeiten und Neigungen einzuschätzen, die Bedeutung des persönlichen Einsatzes und des Beitrags der Gruppe zu erfahren, die eigene Identität und Rolle in der sozialen und kulturellen Realität zu finden und ihre Entscheidungs- und Orientierungskompetenz zu erweitern. Dies ist ein kontinuierlicher und ganzheitlicher Bildungsprozess, der Selbstreflexion und Dokumentation des Lernprozesses beinhaltet und eine systematische Begleitung erfordert.“ (Entwurf der Rahmenrichtlinien des Deutschen Schulamtes, 2003/4.)
Bedeutung der Erziehung durch die Gemeinschaft
„Gleichzeitig ermöglicht sie soziale Erfahrungen in Bezug auf das Leben in der Gemeinschaft. Die Mittelschule fördert durch fachspezifischen und fächerübergreifenden Unterricht die Erweiterung und Vertiefung der Kenntnisse, Fertigkeiten, Fähigkeiten und Haltungen und stärkt die Kompetenz der Schülerinnen und Schüler, sich in Bezug auf die eigene Lebensplanung zu orientieren. Sie organisiert, in Abstimmung mit den weiterführenden Schulen sowie den zuständigen Ämtern des Landes und in Zusammenarbeit mit Wirtschaftsverbänden Maßnahmen zur Bildungsorientierung für die Oberstufe und Bildungsmaßnahmen zur Erlangung der staatlichen Abschlussprüfung.“ (Entwurf der Rahmenrichtlinien des Deutschen Schulamtes, 2003/4.)
Neu ist an den Rahmenrichtlinien die Radikalität der Tendenz zur Unterrichts- und Schulentwicklung. Neu ist auch die Wiederaufnahme reformpädagogischer Ideen in einer neuen Sprache und in einem curricularen Konzept. Unübersehbar ist allerdings die Übereinstimmung mit den Modellen der Reformpädagogik und damit mit (alt)bewährten pädagogischen Ideen. Diese tragen, wie die Rahmenrichtlinien selbst, den Anspruch der Schulerneuerung und Schulverbesserung im Interesse der Lernenden in sich. Es ist daher naheliegend, die reformpädagogischen Modelle als Grundlage der methodischen Umsetzung der Rahmenrichtlinien zu studieren.
Reformpädagogik
Grundmotiv der Reformpädagogik ist die kulturkritische Auseinandersetzung mit der Schule, die sich als „Lehrer-“ und „Stoffschule“ darstellt. Die Reformbestrebungen sind im Grundverständnis auf eine Schulreform und eine Gesellschaftsreform ausgerichtet. Hermann Röhrs nimmt zu diesem Thema eindeutig Stellung: „Durch eine neue Erziehung der jungen Menschen zu potenziell besseren Bürgern für eine neue Gesellschaft von morgen gilt es diesen Wandel ganz im Sinne Rousseaus einzuleiten.“ (Röhrs, 1994; S.143.)
Ziel der Reformpädagogik war (und ist) die Veränderung (Verbesserung – Verf.) der Gesellschaft durch die Schule. Der heute anzustrebende Wandel der Gesellschaft in eine inklusive Gesellschaft, die den Einzelnen als Subjekt, als Wert an sich anerkennt, der sich nicht in der „Nützlichkeit“ und „Produktivität“ des Menschen darstellen kann, benötigt wieder „Reformpädagoginnen und Reformpädagogen“, die ihre Kraft in dieses Ziel investieren. Was Ellen Key in ihrem Buch „Das Jahrhundert des Kindes“ formuliert hat, gewinnt im Sinne der aktuellen Schulsituation und der damit verbundenen Notwendigkeit einer kontinuierlichen Unterrichtsentwicklung wieder an Bedeutung:
„Einzelreformen in der modernen Schule bedeuten nichts, solange man durch dieselben nicht bewusst die große Revolution vorbereitet, die, welche das große jetzige System zertrümmert und von diesem nicht einen Stein auf dem anderen lässt.“ (Key, Ellen; (1905) 1992; S. 275.)
Die Reformpädagogik war von Anbeginn eine internationale Bewegung, die über nationale Grenzen hinaus an einem gemeinsamen Ziel orientiert war. Die Reformpädagogik ist eine permanente Bewegung. Sie ist heute so aktuell wie gestern. Heute schließen an die damaligen Ziele der Reformpädagogen die Ziele der modernen Unterrichtsentwicklung nahtlos an.
Die Grundanliegen der Reformpädagogik
Individualisierung,
Humanisierung,
Liberalisierung,
Pazifizierung,
Demokratisierung
sollen – wie wir den oben dargestellten Rahmenrichtlinien entnehmen können – auch heute Triebfedern jeder schulischen und gesellschaftlichen Reform sein.
Wollen wir uns heute die Reformpädagogik für die Schulentwicklung nutzbar machen, so haben wir die Verpflichtung, einzelne Erziehungskonzepte und Einzelphänomene der Reformpädagogik in ihren vielfältigen sozialen, wirtschaftlichen, politischen und ideengeschichtlichen Verflechtungen kritisch auf ihre Brauchbarkeit zu überprüfen und mit dem Allgemeinbegriff von Erziehung, der gegenwärtigen Erziehungssituation und ihren immanenten Entwicklungsmöglichkeiten in Beziehung zu setzen.
In dem Bewusstsein, dass auch die Reformpädagogik keine „Rezepte“ zur Lösung aller Erziehungsprobleme haben kann, weil die Menschen sich selbst gestalten, „Erziehung“ annehmen oder nicht, kann es nur darum gehen mit Hilfe der reformpädagogischen Konzepte pädagogische Situationen, Lernwelten zu schaffen, in denen Einzelne sich bilden können und wo sie die Unterstützung finden, die sie für ihre optimale individuelle Entwicklung brauchen.
Die historische Entwicklung der Reformpädagogik
Wir wollen in diesem Kapitel die Reformpädagogik dadurch besser verstehen, dass wir ihre Entstehung und ihre Entwicklung skizzieren und somit zu ihren Wurzeln vordringen. Somit soll die Diskussion der Genese das Verständnis der Ideengeschichte erleichtern.
Mit „Reformpädagogik“ wird eine historische Epoche bezeichnet, die wir in der Zeit von 1890 bis 1933/37 eingrenzen können und in der eine neuartige Praxis einer nur teilweise einheitlichen Theoriebewegung folgt, deren pädagogische Themen, die das Selbstverständnis der Epoche geprägt haben, mit den Begriffen: Entwicklung, natürliche Erziehung und die „Pädagogik vom Kinde aus“ zusammen hängen. Radikalster Teil der Reformpädagogik ist derjenige, welcher erstmalig die Individualität des Kindes in den Mittelpunkt der Erziehungstheorie stellt.
Nach Ehrenhard Skiera ging und geht eine bleibende Inspiration noch immer vor allem von der „anderen“ Praxis in schulischen Leben aus, weniger von den doch facettenreichen theoretischen Konzepten. Gemeinsame pädagogische Grundmotive reformpädagogischer Schulen manifestieren sich seiner Meinung nach übereinstimmend in den drei folgenden Kategorien:
Das pädagogische Konzept einer reformpädagogischen Schule orientiert sich grundsätzlich an Fragen, Bedürfnissen und Interessen des Kindes – ein notwendiges Kriterium für eine „Pädagogik vom Kinde aus“; eine solche Pädagogik ist verbunden mit einem Lernbegriff als eine aktive, kreative, die Selbstständigkeit fördernde, lebensverbundene und „natürliche“ Tätigkeit;
Die reformpädagogische Schule ist intentional ein Modell eines guten, harmonischen, partnerschaftlichen Zusammenlebens; diese soll zu einem pädagogisch, sozial-ethisch und ästhetisch durchgestalteten Raum werden, zu einer anregungsreichen Lebens- und Lerngemeinschaft;
Die Konzeption der Erziehung umfasst den ganzen Menschen mit seinen intellektuellen, physischen, sozialen und emotionalen Fähigkeiten (Vgl. Skiera 2003, S.1f.).
Reformpädagogik ist in Geschichte und Gegenwart der Versuch … eine „neue Erziehung“ durchzusetzen, die Anschluss sucht an die im Kind selbst angelegten Entwicklungskräfte, an seine Interessen oder Bedürfnisse … zugleich der Schlüssel zu einer besseren Welt.
„Schwerpunkt der Reformpädagogik in Geschichte und Gegenwart liegt im Bereich der Unterrichts- und Schulreform“ (Skiera 2003a.a.0.). Fundamental und wesentlich ist in den meisten reformpädagogischen Modellen die didaktische Orientierung an der kindlichen Entwicklung. „Sie (die Reformpädagogik – Verf.) stellt den Versuch dar, gegen die überlieferte, Angst generierende ‚alte’ einer demgegenüber ‚neuen’ zum Durchbruch zu verhelfen, die das Glück des Kindes im Auge hat und die Zustimmung des Kindes sucht“ (Skiera 2003a.a.0.).
Trotz der Unterschiedlichkeit der gelebten Reformlinien, lässt sich eine Reihe gemeinsamer Grundmotive ausmachen:
Orientierung an den kindlichen Bedürfnissen nach einer individuellen Entwicklung und damit Entwicklung und Entfaltung des Soseins der jeweiligen Persönlichkeit;
Ein Lernbegriff, der die einseitige intellektuelle Orientierung überwindet und die Kriterien der Aktivität, der Kreativität, der Selbstbestimmung, der Selbsttätigkeit, der Selbstverantwortung, der Selbstbildung und der Persönlichkeitsbildung mit einschließt;
Ein Lernbegriff unter der Prämisse des Begriffes der Entwicklung der Persönlichkeit und des inneren Bauplanes des Kindes;
Ein Lernort als Lebensgemeinschaft und als vorbereitete Umgebung, in der das Lernen nach den oben genannten Kriterien stattfinden kann;
Eine Lebensgemeinschaft, in der und durch die der Mensch zu seiner Persönlichkeit reifen kann und
Lehrerinnen und Lehrer, die dem Kind mit Respekt begegnen und dieses in seiner Persönlichkeit anerkennen, annehmen, führen und begleiten…
Die Auswirkungen der Reformpädagogik auf die Unterrichts- und Schulreform, lassen sich in folgenden Momenten beschreiben:
Gestaltung einer ästhetisch und intellektuell anregenden Lernumgebung, die die Aktivitäten des sich entwickelnden Kindes herausfordert und ermöglicht: Entwicklungsmaterialien, Ateliers, Facharbeitsräume, Medien, Selbstbildungsmittel…;
Betonung der kindlichen Eigenaktivität;
Möglichkeiten der Mitbestimmung des Kindes bei der Wahl der Lernaktivitäten und der Gestaltung des Unterrichtes und der Schulgemeinschaft;
Gestaltung des Unterrichts- und Schullebens durch die beteiligten Personen (Eltern, Lehrer und Kinder);
Integrative Lerngruppen statt homogener Klassen;
Rhythmisierte Wochenarbeitspläne und Tagesabläufe;
Bildungsgrundformen an Stelle von Fächerdenken und Fetzenstundenplänen;
Bereitstellen von pädagogischen Situationen;
Öffnung der Schule gegenüber dem gesellschaftlichen Erfahrungsraum;
Das Umdenken der Reformpädagoginnen und Reformpädagogen bezüglich der Aufgabe der Erziehung und des Unterrichts besteht nach wie vor in der Orientierung an der Entfaltung bzw. Entwicklung des Selbstkonzepts des Kindes und dass ihr Denken auf eine bessere Zukunft hin ausgelegt war und ist, die durch Erziehung zu erreichen sei. Bildung wird in dieser reversiblen Erziehungskonzeption nicht durch die Forderungen der Erwachsenen bestimmt, sondern habe „vom Kinde aus“ zu gehen. Das Wesentliche, Allgemeingültige der Kind-Orientierung beschreibt Ellen Key in ihrem Buch „Das Jahrhundert des Kindes“: „Die erste Erziehung muss darauf hinzielen, die Individualität des Kindes zu stärken.“ (Key, 1992
Am Anfang war die Kunsterziehungsbewegung
Die pädagogische Geschichtsschreibung stellt die Kunsterziehungsbewegung an die Spitze der Reformbewegung. Die Anfänge waren trivial: ein Versuch der Anreicherung der Lehrerbildung in Jena (W. Rein) und eine Arbeitsgruppe zur Lehrerfortbildung in Hamburg (A. Lichtwark). An Wilhelm Reins pädagogischem Seminar in Jena wurden Übungen für Praktikanten eingerichtet, während Alfred Lichtwark in Hamburg eine Lehrergruppe betreute, die sich mit der Verbesserung des ästhetischen Schulunterrichtes befasste. Der Lehrer als „künstlerische Persönlichkeit“ hat die Aufgabe, die „Ausdrucksfähigkeit“ des Kindes zur Entfaltung zu bringen; ausschlaggebend für die Reformbewegung war in diesem Zusammenhang die These der „natürlichen Entwicklung der Kräfte des Kindes“.
Die deutsche Schulreform beabsichtigte eine Verbindung von Arbeit und Lernen. Der Blick wendete sich vom Lehrstoff auf den „inneren psychologischen Zusammenhang“. „Dass der einzelne seine Arbeit erkenne, an ihr Einsicht, Wille und Kraft erstarken lasse, das ist die erste Aufgabe auf dem Weg zur Bildung“ (Kerschensteiner, In: Wehle, 1966). Kerschensteiners pädagogischer Ansatz betont die unterrichtlichen Prinzipien der Selbsttätigkeit, der Spontaneität und des manuellen Tuns. Die Arbeit ist Bildungsform und pädagogischer Begriff zugleich. Die Arbeitsschule soll die Schule der Zukunft sein: Charakterformung durch geistiges Tätig-Sein im Sinne geistiger Arbeit. Erziehung zur Selbständigkeit, zum Mut zur Selbstbehauptung und Neues und Ungewohntes aufzugreifen und zu den Arbeitstugenden Sorgfalt, Gründlichkeit und Umsicht. Der Unterricht in der „Arbeitsschule“ wurde unter einen pädagogischen Vorbehalt gesehen: Er müsse die Selbsttätigkeit des Kindes befördern und damit der „harmonischen Bildung der Geisteskräfte“ dienen. Dieser Gedanke geht auf F. Fröbel zurück, der in der „Menschenerziehung“ (1826) den geistigen Sinn der Arbeit herausgestellt hatte.
Georg Kerschensteiner hat die alternative Schule propagiert und theoretisch begründet. Hermann Lietz ließ sie 1898 in Form des „Deutschen Landerziehungsheims“ Wirklichkeit werden. Der Ausgangspunkt der Landerziehungsheime war die Kritik an der bürgerlichen Gesellschaft. Landerziehungsheime wurden als eine „Eigenwelt der Erziehung“ angesehen. Das Landerziehungsheim als „educational laboratory“ führte zu einem „higher type of human being“. Das Vorbild war die „New School Abbotholme“, gegründet von Cecil Reddie, einem der Pioniere der Landerziehungsheimbewegung. Er schuf die lebendig gestaltete Schule und wandte sich mit seinem Modell vor allem gegen die alte und überkommene Internatserziehung.
Der Reformpädagoge und Schulleiter in Leipzig Hugo Gaudig, erweiterte den Begriff der „Arbeitspädagogik“ um den Begriff der „Persönlichkeitspädagogik“. Zentralbegriff seines arbeitspädagogischen Konzeptes: Prinzip der „freien geistigen Tätigkeit“ und der Selbsttätigkeit. Nicht primär nur praktisches Tun, sondern die immanente geistige Schularbeit ist Prinzip für die zukünftige Gestaltung des Schullebens. Die Methode der Lernenden ist das entscheidende Moment des Lernens.
Die Tradition der Landerziehungsheime hat sich bis in unsere heutige Zeit erhalten. Bekanntes Beispiel ist die Odenwaldschule, die Paul Geheeb gemeinsam mit seiner Frau Edith Cassirer gründete. Bildung ist nach Paul Geheeb ein „Selbstwerdungsvorgang und Selbstwerdungsvollzug“ des einzelnen (Werde, wer du bist!). Kennzeichen der Odenwaldschule sind die Schulgemeinde als Versammlung der gesamten Heimgemeinschaft (Ort des Austauschs), die Einrichtung eines „Wartesystems“ (z.B. Ordnungswart) und eines Kurssystems in der Schule. Nach dem zweiten Weltkrieg entwickelte er mit der Ecole d’Humanité in Versoix (CH) (später in Goldern-Hasliberg) die Ansätze der Odenwaldschule weiter. Paul Geheeb leitete diese Schule bis zu seinem Tod.
Auch Célestin Freinet übernimmt von Hermann Lietz Anregungen der deutschen Reformpädagogik, insbesondere der Landerziehungsheimbewegung, und von Georg Kerschensteiner Ideen aus der Arbeitsschule. 1924 gründen Célestin Freinet und zu dieser Zeit schon zahlreiche gleich gesinnte Kolleginnen und Kollegen die „Cooperative de l’Enseignement Laic“, abgekürzt C.E.L., aus der allmählich die französische Lehrerbewegung „Ecole Moderne“ hervorgehen wird. Ziel dieser Bewegung ist die Neugestaltung der Schule von innen heraus. Sie unterscheidet sich von den anderen reformpädagogischen Bewegungen dieser Zeit auch durch die explizit genannten politischen Absichten: als eine „Pädagogik des Volkes“ verfolgt sie eindeutig emanzipatorische Ziele und ergreift Partei für die unterprivilegierten Kinder der Gesellschaft. C. Freinet sieht die Schulklasse als Kooperative oder Genossenschaft – lebendige Demokratie und selbst bestimmtes Lernen – pädagogische Strategien für die Realisierung einer sozialistischen Gesellschaft. Ovide Decrolys Idee, Texte zu drucken erhält damit in der Pädagogik C. Freinets einen entsprechenden pädagogischen Kontext. Die Druckerpresse wird in der Folge zum Symbol der Freinet-Pädagogik – Publikation als politische Meinungsäußerung. Die Lehrerinnen- und Lehrerbewegung entstand nach dem Motto: Lehrer helfen Lehrern.
Nicht nur die „Deutsche Bewegung“ und die „Landerziehungsheimbewegung“ sorgen für die Ausbreitung der Reformideen. Eine wesentliche Rolle zur internationalen Verbreitung der Reformideen kam dem „Weltbund zur Erneuerung der Erziehung“ zu. Die pädagogischen Zielsetzungen des Weltbundes sind vielfältig mit der Reformpädagogik verbunden. Das zeigt sich auch an den ehemaligen Sprechern des Weltbundes nach seiner Gründung 1921. Die Liste dieser Sprecher liest sich wie das „Who is who“ der internationalen Reformpädagogik: Dewey, Kilpatrick, Washburne, Ferrière, Montessori, Geheeb, Decroly … Bei der Weltkonferenz 1927 zählte auch Alfred Adler zu den Referenten. Die Konferenz stand unter dem Thema: „The meaning of freedom in education“. Bereits in den ersten Gründungsjahren hatten auch Peter Petersen und Alexander S. Neill intensiven Kontakt zum Weltbund. Peter Petersen trug in der Konferenz zu Locarno sein Schulkonzept vor. In Analogie zum Dalton-Plan und zu Winnetkaplan wurde das Konzept Peter Petersens von den Mitgliedern der Konferenz Jena-Plan genannt.
Peter Petersen entwickelte an der Universität Jena den so genannten Jena-Plan. Der Jena-Plan Peter Petersens ist eine „Ausgangsform“ zur Schulentwicklung. Peter Petersen ersetzte die Jahrgangsklasse durch altersheterogene Stammgruppen und den „Fetzenstundenplan“ durch einen rhythmischen Wochenarbeitsplan gestützt auf die Bildungsgrundformen Spiel, Gespräch, Arbeit und Feier. Gleichzeitig schaffte er das „Sitzenbleiberelend“ in den Schulen ab. Er stand mit Célestin Freinet lebenslang in Briefkontakt und ist Autor des auflagenreichsten Buchs der pädagogischen Geschichte: Petersen, Peter: Der Kleine Jena-Plan. (1927). Peter Petersens Schulexperiment zählt (bis) heute zu den nachhaltigsten schulischen Reformen. Vergleichbare nachhaltige Einflüsse auf die Unterrichts- und Schulreform gelingen der Dalton-Plan-Pädagogik Helen Parkhursts, entstanden aus der „progressive education“, der Methode der Montessori-Pädagogik und dem Einfluss der Freinet-Pädagogik. Die Waldorf-Pädagogik nimmt trotz ihrer weltweiten Verbreitung eine Sonderstellung ein: Sie ist in einem nur geringen Ausmaß für die Weiterentwicklung des öffentlichen Schulsystems wirksam geworden und durch eine starke Bindung an die Anthroposophie gekennzeichnet:
Helen Parkhurst, die US-amerikanische Reformpädagogin, entwickelte die Idee des „Laboratory Plans“, (Lernen in Facharbeitsräumen, selbständige Arbeit nach assignments), die Idee der „Childrens University“ und schließlich in Dalton den so genannten Dalton-Plan unter Mitarbeit von John Dewey. Dieser Plan ist ihrer Auffassung nach kein pädagogisches Konzept, sondern „a way of life“. Als Prinzipien nennt: „Freedom“, „Co-operation“ und „Budgeting time“. Kinder lernen in Freiheit nach einem von der Lehrerin / dem Lehrer (gemeinsam) entwickelten Pensum (assignment). H. Parkhurst wurde für ihre umfassende und erfolgreiche schulentwicklerische Tätigkeit in den Niederlanden ausgezeichnet. Der Dalton-Plan entstand in Kooperation mit J. Dewey, W. H. Kilpatrik, den bedeutenden Vertretern der „progressive education“.
Für John Dewey ist Demokratie erfülltes, nicht entfremdetes Leben; ein solches erfülltes Leben ist ohne Mitbestimmung nicht denkbar. Wesen der Demokratie ist für Dewey die intelligente Selbstführung. Erziehung ist Erziehung zur Selbstbestimmung und das Lernen muss ganz und gar auf Erfahrung aufgebaut sein. Kinder lernen experimentierend in einer anregenden Lernumwelt die Realität und sich selbst entdecken und kennen. Lehrer/innen sieht Dewey immer in der Rolle des/der mitbestimmenden Mitarbeiters/in. Sein pädagogischer Ansatz ist unter der Formel „Learning by doing“ berühmt geworden. Dieser an die Idee der Arbeitsschule erinnernde Ansatz wurde von J. Dewey und W. Hilpatrick in der Idee des Projektunterrichts konkretisiert. Die beiden Repräsentanten der Progressive Education verbanden im Projektunterricht zweckvolles Handeln mit dem pädagogischen Prozess in einer pädagogischen Situation. Dahinter steckt die Erziehungsidee, dass sich der Mensch als urteilsfähige Persönlichkeit in Wechselwirkung zwischen Eindruck und Ausdruck in kritischer Erfahrungssichtung auf selbst aufbaut.
Neben dem Dalton-Plan erfahren die Reformideen der Progressive-Education-Bewegung auch im Winnetkaplan eine interessante Weiterentwicklung. C. W. Washburne, – Reformpädagoge und Begründer des Winnetkaplans (Winnetka in Illinois), Schüler von John Dewey, nahm sich besonders der Früherziehung der Kinder, der Sozialerziehung und der allgemeinen Schulreform an unter Berücksichtigung der Individualität des Schülers an: Aufteilung der Arbeitszeit in Einzelarbeit und Gruppenarbeit und Ablösung der Altersklassen durch Leistungsgruppen, in denen die Schüler die Freiheit der Wahl ihrer Arbeitsgebiete haben. Der Lehrer hat hier nur die Rolle des Helfers. Wichtig ist im Winnetkaplan die Integration der Schüler in die Gemeinschaft. C. W. Washburne entwickelte ebenso reformpädagogische Richtlinien zur Lehrerbildung.
1913 begann eine Zusammenarbeit der beiden großen Reformpädagoginnen M. Montessori und H. Parkurst, die in Helen Parkhursts Stellung als „Supervisor of Montessori Teachers in the United States“ ab 1915 gipfelte. Diese Zusammenarbeit dauerte 3 Jahre. 1918 löste sich Helen Parkhurst aus allen Verpflichtungen gegenüber der „Dottoressa“. Gleichzeitig setzte die Montessori-Bewegung ihren Siegeszug um die ganze Welt fort. Der anhaltende Erfolg dieser Methode, wie M. Montessori ihre Pädagogik nannte, liegt zum Großteil darin begründet, dass M. Montessori diese Methode gemeinsam mit den Kindern entwickelte. Dadurch entwickelte sie radikal „vom Kinde aus“ gehend eine Pädagogik der Individualisierung und der Selbstbildung. Mit der Entwicklung der Montessori-Methode in den „Casa dei bambini“ erfand sie ebenso die Entwicklungsmaterialien. Sie betont die pädagogische Bedeutung einer vorbereiteten Umgebung und entdeckt die „Polarisation der Aufmerksamkeit“, deren experimenteller Erforschung sie einen Großteil ihrer weiteren Arbeit widmete. Sie beschreibt den absorbierenden Geist, der Kinder zur Selbstschöpfung befähigt und beachtet die Bedeutung der sensiblen Phasen für die kindliche Entwicklung. Der Einfluss der Montessori-Pädagogik auf die Unterrichts- und Schulreform hält bis heute an.
Die Kraft der Erneuerung in den reformpädagogischen Konzepten
Das Studium der heute weltweit verbreiteten fünf erfolgreichen Modelle der Reformpädagogik – Montessori-Pädagogik, Freinet-Pädagogik, Jena-Plan-Pädagogik, Dalton-Plan-Pädagogik und Waldorf-Pädagogik – sollte es uns ermöglichen, dem pädagogischen Ziel eines auf Selbständigkeit und Selbstbestimmung basierenden Bildungsprozesses in den Schulen näherzukommen, ohne die Notwendigkeit einer didaktisch-methodischen Grundlage für schulisches Lernen und den gesellschaftlichen Rahmen der Schule in Österreich aus den Augen zu verlieren.
Mit all den zu diskutierenden Konzepten sind pädagogische Prinzipien wie Selbständigkeit, Selbstbildung, Eigenverantwortung, Selbsttätigkeit, eigenständiges und autonomes Lernen, entdeckendes Lernen, Bildung der Imaginationsfähigkeit sowie soziales Lernen und Integration verbunden. Zentrales Anliegen ist es, dem heranwachsenden Menschen in seiner Entwicklung zur eigenständigen Persönlichkeit und zur Entfaltung seiner Individualität zu helfen.
Weitere konstituierende und beschreibende Merkmale reformpädagogischer Bildungskonzepte finden wir, ohne schon Anspruch auf Vollständigkeit erheben zu wollen, in der Gestaltung einer anregenden Lernlandschaft, im fächerübergreifenden Unterricht, in weitreichenden Mitbestimmungsmöglichkeiten des Kindes, im Angebot so genannter Entwicklungsmaterialien, in einer persönlichkeitsbezogenen Leistungsbewertung und Leistungsbeurteilung und in einer prinzipiellen Betonung der Eigenaktivität.
Montessori-Pädagogik, Freinet-Pädagogik, der Jena-Plan nach Peter Petersen, der Dalton-Plan nach Helen Parkhurst oder der Epochenunterricht der Waldorfschulen bieten klare methodisch-didaktische Konzepte und sind dabei doch flexibel: Je nach dem entwickelten Schulprofil bieten sie die Grundlage für die pädagogische Arbeit an der Schule oder sie bilden die Basis für die Entwicklung eines adaptierten oder neu erstellten Erziehungs- und Unterrichtskonzeptes. In beiden Fällen setzt die Integration eines dieser Modelle ein vorangehendes intensives Studium desselben voraus und erfordert die permanente Reflexion, ob die Intentionen der Schule auch eine Verwirklichung durch das gewählte pädagogische Modell erfahren können, ob also der gewählte Weg auch zum Ziel führt.
Der Einwand, dass diese Konzepte nicht neu sind und dass es sich bei deren Einführung höchstens um eine Renaissance reformpädagogischer Richtungen handelt, gilt dann nicht, wenn Reformpädagogik als Grundlage einer aktuellen Unterrichtsentwicklung aufgefasst wird. Um dem Ziel eines nach den Prinzipien der Selbstbestimmung und Selbständigkeit gestalteten Unterrichts näher zu kommen, bedarf es einer kontinuierlichen Unterrichtsentwicklung – die reformpädagogischen Modell sind die Grundlage zu einer so genannten Nachschöpfung einer modernen reformpädagogischen Schule.
Kindgemäße Pädagogik – der Versuch einer theoretischen Nachschöpfung
Pädagogik als „kindgemäß“ zu bezeichnen, ist nicht der Versuch einer Neudefinition von Pädagogik, sondern die Betonung eines wesentlichen Aspekts von Pädagogik, basierend auf der Kind-Orientierung der Reformpädagogik. Davon ausgehend, dass wir alle in unseren Aussagen über Pädagogik von einem subjektiv-didaktischen Konzept, von einer individuellen Pädagogik geleitet werden – auch wenn diese Auffassung wissenschaftlich fundiert ist – zeigt das Attribut „kindgemäß“ die Orientierung, die Richtung in der Pädagogik in diesem Buch gedacht werden wird.
Die Idee einer kindgemäßen Pädagogik oder wie die Reformpädagoginnen und Reformpädagogen vor nunmehr fast 80 Jahren formuliert haben einer „Pädagogik vom Kinde aus“ führt uns zu einem Verständnis von Pädagogik, in dessen Mittelpunkt die Selbstbestimmung des Menschen innerhalb einer Erziehungsgemeinschaft steht und zu einem radikal reformerischen Verständnis von Unterricht und Schule.
Ein Lehrer an einer reformpädagogischen Schule, Martin Wagenschein, illustriert in der Geschichte vom kleinen Claudio das Wesentliche einer „Pädagogik vom Kinde aus“. Martin Wagenschein gibt uns auch eine Antwort auf seiner Suche nach dem Wesen der Schule. Es ist sicher keine endgültige und exemplarische Antwort. Die Antwort, die er uns gibt, zeigt uns aber die Richtung, in der wir suchen können.
„Das eigentliche Wesen der Schule scheint mir aber in dem Bericht über den kleinen Claudio eingeschlossen zu sein“, schreibt Martin Wagenschein:
„Von sich aus aber will das Kind lernen, nichts als lernen! – Ich sah vor kurzem ein knapp zweijähriges Kind – es war ein kleiner Italiener, Claudio, blond mit dunklen Augen – […]
Ein paar Tage später war er schon zur Physik übergegangen und stand bei der Gravitation. Er hatte die Schwerkraft entdeckt. Und zwar war er weiter darin als wir. Sie erstaunte ihn noch, während wir das erst wieder lernen müssen. Er stand, völlig in sein Tun versunken, auf einer mit Kies belegten Terrasse. Er hockte sich nieder, nahm in beide Hände so viel Kiesel, wie sie fassen konnten, stand dann langsam auf, die Hände vor sich, die Handflächen nach oben, den Blick darauf gerichtet. Dann der Blick auf uns: Jetzt kommt es! Und es kam: Er brauchte nur die Hände zu öffnen, und die Steine fielen wie selbst zur Erde, ganz von selbst. Er wurde nicht müde, es zu wiederholen; und jedes Mal das kaum merkliche Lächeln zu uns: das Zeichen des Geistes. Siehst du es: es geht immer. Er hatte die Regel entdeckt, das Naturgesetz.“
In einer kindgemäßen Pädagogik können wir das Wesentliche des Lernens und der Bildung auch mit dem niederländischen Philosophen Peter Sloterdijk umschreiben: Lernen ist Vorfreude auf sich selbst!
Eine Schule, die sich einer solchen kindgemäßen Pädagogik verpflichtet fühlt, hat die Aufgabe
Lernen als Freude an sich selbst zu erhalten und
Lernen als eine meinem Leben Sinn gebende Tätigkeit zu verwirklichen.
Um diese Auffassung einer kindgemäßen Pädagogik realisieren zu können, müssen wir uns immer wieder die Frage eines großen Reformpädagogen, Peter Petersens, stellen, „wie soll die Erziehungsgemeinschaft beschaffen sein, in der und durch die ein Mensch seine Individualität zur Persönlichkeit vollenden kann?“
Die Erziehungsgemeinschaft, von den Kindern immer wieder selbst gestaltet, ist ein wichtiger Erzieher zur Bildung der Schlüsselkompetenzen, über die Kinder – auch nach den bildungspolitischen Vorstellungen der OECD – verfügen sollen. Nach den Ergebnissen der PISA -Studie wird eindeutig der Erwerb folgender Basiskompetenzen als didaktische Orientierung der Schulpolitik empfohlen:
Für sich selbst verantwortlich sein können;
Initiativkraft entwickeln;
Flexibilität und Problemlösungsverhalten;
Teamfähigkeit;
Leistungsmut;
Der Erwerb dieser Schlüsselqualifikationen ist – meiner Auffassung von kindgemäßer Pädagogik entsprechend – Voraussetzung und gleichzeitig Mittel zur Selbstbildung und zur gültigen Allgemeinbildung, deren Inhalte maßgeblich und selbst verantwortlich vom Lernenden selbst mitbestimmt werden. Diese Schlüsselkompetenzen sind die Grundlage, die Lernen – auch in der Schule – zu einem nachhaltigen Erleben und zu einer das Leben bestimmenden und für das Leben bedeutenden Fähigkeit werden lassen.
Soll Lernen eine das Leben begleitende Fähigkeit werden, so wird jeder Schülerin / jeder Schüler Lernen als bedeutend für seine / ihre eigene Entwicklung erleben müssen. Schülerinnen und Schüler werden Lernen als eine Fähigkeit fühlen und empfinden müssen, die zum Aufbau und zur Integration ihrer eigenen Persönlichkeit entscheidend beigetragen hat und noch immer beiträgt. In diesem Sinne muss jede/r Lernende Lernen selbst als eine Fähigkeit integriert haben, die von jedem Individuum einerseits in selbständiger und selbsttätiger Arbeit angeeignet wurde und anderseits ein positives Bewusstsein erleben lässt, dass Eigeninitiative und Flexibilität die Lebenssituation des Individuums in einer bestimmten Lebensgemeinschaft verbessern kann.
Lebensbegleitendes Lernen ist somit auch eine Fähigkeit bewusst positiver Lebensführung und Lebenseinstellung und kann auch nur in einer Lernsituation erworben werden, in der initiatives Handeln, selbständiges und selbsttätiges Arbeiten und entdeckendes und forschendes Lernen im Vordergrund der didaktisch-methodischen Orientierung der Institution Schule stehen. Ich wage die These und bin zur Diskussion bereit: Lebensbegleitendes Lernen wird der Lernende wahrscheinlich nur dann als die beschriebene Fähigkeit internalisieren können, wenn er über sein Lernen und damit auch über die Form und die Inhalte seines Lernens selbst bestimmen kann und sein Lernen immer ein vorwiegend selbst bestimmter Lebensprozess ist.
Dementsprechend muss der pädagogische Fortschritt im schulischen Lernen in der konsequenten didaktischen und methodischen Reform der Schulen bestehen, dass der Erwerb der genannten Basiskompetenzen Grundlage der Bildung des ein Leben lang lernbereiten Menschen ist und dass der gebildete Mensch der zum Selbstwirksamkeitskonzept fähige Mensch ist. Dieses Selbstwirksamkeitskonzept ist verbunden mit der Fähigkeit des Menschen sich in die Welt hineinwagen, mit Neugierverhalten, mit Forschen und mit Entdecken können.
Was Kinder brauchen ist die Entwicklung des Neugierverhaltens. Kinder brauchen Herausforderung und damit Wachstumsimpulse, indem sie Probleme als solche erkennen und nach Problemlösungen suchen können; das schließt auch den Umgang mit dem Scheitern mit ein.
Diese eben skizzierte pädagogische Orientierung betrifft auch die Lehrerinnen und Lehrer mehr als es im ersten Augenblick den Anschein hat. Die für den skizzierten Bildungsanspruch notwendige Verbundenheit des/der Lehrerin mit den Schülerinnen, ist verpflichtet
dem Schutz, der Entfaltung und der Entwicklung des Lebens,
einem gegenseitigen und immer reversiblen Vertrauensprinzip und
einem Bündnis: die Lehrerin/der Lehrer ist immer auf die Mitwirkung der Schülerinnen und Schüler angewiesen und umgekehrt.
Die Lehrerin/der Lehrer darf grundsätzlich nur dem Nutzen des Kindes dienen. Das Ausgeliefertsein des Kindes darf niemals ausgenützt werden.
Die Lehrerin/der Lehrer ist der Selbstbegrenzung von Macht verpflichtet.
Ich betone in diesem Zusammenhang ein notwendiges neues Selbstbewusstsein der Profession des/der Lehrerin: Bedeutend für das Selbstbewusstsein der Lehrerinnen und Lehrer ist die Betonung des Eigensinns und der Eigenlogik von Bildung! Lehrerin-Sein ist nicht bloß eine Dienstleistung; diese besteht nur auf der Basis eines Vertrages; die Verpflichtung des/der Lehrerin basiert hingegen auf ethischen Prinzipien: Jede Erziehung muss grundsätzlich darauf angelegt sein, dass der/die Erzieherin nicht über den zu Erziehenden verfügt. Und Erfahrung der Schülerinnen und Schüler muss sein: Jede Erziehung muss grundsätzlich darauf angelegt sein, dass die Persönlichkeit und die Initiativkraft der Schülerinnen und Schüler gestärkt werden.
Doch wie sind Schulen gestaltet, in denen die Kinder diese Kompetenzen erwerben können, in denen sie sich entfalten und entwickeln können? Ich versuche zu Beginn der Erörterungen zu beschreiben, was Schule sein soll.
Schule soll sein
…a place to grow up in!
…ein Ort, an dem und in dem die Persönlichkeit der Kinder und ihr Lebensgefühl gestärkt werden!
…ein Ort, an dem und in dem das Eigene und Besondere jedes Kindes gedeihen kann!
…ein Ort, an dem das Selbstbewusstsein des Menschen wachsen kann und zur Basis der gesellschaftlich relevanten Produktivkraft werden kann!
…ein Ort, an dem die Wertschätzung und der Respekt den Umgang mit den Menschen bestimmen und an dem die Menschen Abschied von der Misstrauenskultur genommen haben!
…ein Ort, an dem Lernen als Vorfreude auf sich selbst erlebt werden kann!
…ein Ort kreativer Handlungsräume, in denen Bildungserlebnisse stattfinden!
…ein spannender Ort, der die Kinder neugierig auf sich selbst und auf die Welt macht und der die Anstrengungsbereitschaft der Kinder herausfordert!
…eine überschaubare Welt des Kindes, die Chancen und Schwierigkeiten der realen Welt in überschaubaren Dosen darbietet!
…eine Welt, in der Lernen und Leben als gegenseitige Anregung und Herausforderung stattfinden!
…eine Welt, in der Kinder individuell lernen, in der Kinder von Unterschieden lernen und in der sie gemeinsam lernen!
…eine Schule, in die Kinder und Lehrerinnen und Lehrer gerne hingehen,
in der, Lehrerinnen und Lehrer und Kinder zueinander finden und in einem positiv emotionalen Verhältnis miteinander lernen und leben,
in der Lehrerinnen und Lehrer an das Potenzial jedes ihnen anvertrauten Kindes glauben,
in der das Erkennen der Besonderheit jedes Kindes den Zugang zum Kind bestimmt und
in der die Erwachsenen die Leidenschaften der Kinder teilen!
…ein Ort, an dem die unheilige Allianz zwischen Herkunft und Bildung aufgehoben wird!
Doch es gibt ein Leben vor der Schule, und … wie die Schweden und Finnen sagen: Auf den Anfang kommt es an!
Pädagogische Modelle – das Fundament
Erfolgreiche Unterrichtsentwicklung setzt ein erfolgreiches Zusammenwirken aller daran Beteiligten voraus, der Kinder und deren Eltern ebenso wie der Lehrpersonen und der Schulführungskräfte aus dem schulischen Umfeld. Voraussetzung dieses gemeinsam gestalteten Entwicklungsprozesses sind eine verantwortungsbewusste und konsequente Haltung und eine kritische und konstruktive Vorgangsweise. Dieser Prozess muss von Ehrlichkeit, Transparenz und Authentizität geprägt sein und der Anforderung eines ständig in sich wachsenden und veränderbaren Modells gerecht werden.
Innovativ an einem zeitgemäßen schulischen Entwicklungsprozess ist die Zusammenführung mehrerer reformpädagogischer Theorien in einem Unterrichtsmodell. Die Theorie Freinets kann sich in einer modernen Unterrichtsentwicklung ebenso finden wie Kernelemente des Jena-Plans von Peter Petersen und/oder die Methode Maria Montessoris bzw. die Lernaufgaben Helen Parkhursts.
Eine Didaktik „vom Kinde aus“ – wie es in der Reformpädagogik heißt – kann als pädagogischer Rahmen für die jungen Menschen zum Erlernen des Lebens in der Gesellschaft angesehen werden. Eines haben die genannten Bildungs- und Erziehungskonzepte gemeinsam, nämlich das lebenstaugliche Modell einer am Kind orientierten Pädagogik und Didaktik. Die Aussage „vom Kinde aus“ kann durchaus unterschiedlich konzeptionell aufgefasst werden, nicht aber ihre Grundintention.
So versteht Célestin Freinet unter „vom Kinde aus“ sowohl eine Phase psychologischer Entwicklungsbedingungen, als auch eine „schulische“ Aufarbeitung der von den Kindern mitgebrachten Erfahrungen und Lebensumstände, um „Grundlagen für eine befreiende Erziehung der Arbeiterklasse zu schaffen.“ (Vgl. Freinet, Célestin, pädagogische texte) In Maria Montessoris Erziehungskonzeption war und ist die aktive Förderung kindlicher Unabhängigkeit und Selbständigkeit durch Selbsttätigkeit in einer vorbereiteten Umgebung das zentrale Anliegen. Die Amerikanerin Helen Parkhurst hat das Prinzip „vom Kinde aus“ schulorientierter übersetzt. Das auch im heutigen Schulsystem erkennbare Defizit eines lebensnahen und konstruktiven pädagogischen Schulkonzeptes hat Parkhurst wie folgt umschrieben: „…, dass sich die Heranwachsenden in konstruktiven Problemlösungen als lernfähig erfahren können.“ (Vgl. Parkhurst, Helen: EDP) Auch die von Parkhurst genannten Begriffe „Daseinsbewältigung“ und „Lebenstüchtigkeit“ lassen auf eine lebensnahe und praxisorientierte Didaktik schließen.
Auch Martin Wagenschein stellt das Kind in den Mittelpunkt seiner Tätigkeiten und plädiert für einen am Kind orientierten Unterricht und nach seiner Auffassung sollten wir an den Phänomenen, möglichst nah am wirklichen Leben, lernen können. Weiters meint er, wenn die Schule nicht verlassen werden kann, so sollte doch an eine geeignete und beispielhafte vorbereitete Umgebung gedacht werden, um einen Lebensbezug herzustellen.
Grundsätzlich orientiert sich eine reformpädagogisch ausgerichtete Schule also an den Fragen, Interessen und Bedürfnissen des Kindes. Diese am Kind orientierte Entwicklung und die Form eines „neuen“ Lernens ist, in Geschichte und Gegenwart, gleichzeitig auch der Versuch einer „neuen“ Erziehung zu einer „besseren“ Welt. In unserem Verständnis soll den Kindern das Recht auf Freiheit, Eigenverantwortung und Entwicklung ihrer Persönlichkeit zugesprochen werden. Die Verantwortung der Pädagoginnen und Pädagogen ist es, den Bildungsprozess und persönlichen Entwicklungsprozess der Schülerinnen und Schüler zu fördern und annehmend zu begleiten.
Haben die Theorien der Reformpädagogischen Modelle das Anliegen einer Didaktik vom Kinde aus gemeinsam, so unterscheiden sie sich inhaltlich und in ihrer Grundstruktur doch eindeutig. Wir haben versucht, die Elemente den Theorien zu entnehmen, die sich mit den Gedanken und Vorstellungen unseres subjektiv didaktischen Konzeptes decken und mit den Grundgedanken der Rahmenrichtlinien übereinstimmten.
Freinet-Pädagogik
„Die Schule bereitet nicht mehr für das Leben vor und dient nicht mehr dem Leben.“ (Freinet, Célestin. 1979. S. 9). Diese kritische Sichtweise des bestehenden Schulsystems und auch der Wunsch, diese radikal zu verändern, veranlasste Freinet zur Veröffentlichung wesentlicher Gesichtspunkte und Fragen, die die Verwirklichung einer Unterrichtsreform voranzutreiben sollten.
Dabei stellte Freinet den folgenden Aspekt an die Spitze seiner Erziehungsgedanken: Während die traditionelle Schule ihre Arbeit auf die Vermittlung von Wissensstoff und auf die Erfüllung der Stoffpläne legte, forderte Freinet eine Schule von morgen, die das Kind als Glied der Gemeinschaft in den Mittelpunkt stellen wird. „Es handelt sich bei diesem Vorgehen darum, die Schule wahrhaft wieder in eine vernünftige Form zu bringen, die es dem Kinde erlaubt, zu einer möglichst vollkommenen Entfaltung seiner Menschlichkeit zu kommen.“ (Freinet, Célestin: 1979. S. 15.).
Mit der Forderung, dass die Schule von morgen eine Arbeitsschule sein soll, betonte und bekräftigte Freinet die Wichtigkeit des handlungsorientierten Arbeitens in der Schule. Die gesamte schulische Arbeit soll sich auf die Schüleraktivität gründen; dies „… setzt voraus, dass die Schule endgültig der verurteilenswerten Manie einer passiven und formellen Pädagogik den Rücken kehrt.“ (Freinet, Célestin: 1979. S. 17.) Damit will Freinet die Akzentuierung auf „wache Köpfe und geschickte Hände“ legen.
Dass Freinet seine Haltung unter Berücksichtigung aktueller Ereignisse und Entwicklungen betrachtete, kann aus der Forderung „wir dürfen uns nicht mehr länger mit einer Schule begnügen, die mit ihrem Verbalismus, ihren Handbüchern, ihren schriftlichen Arbeiten, ihren geisttötenden Lektionen, ihrem Auswendiglernen von Zusammenfassungen und ihren streng an die Vorschriften gebundenen Schönschreibübungen…“ abgeleitet werden, und weiter „dies alles geschieht in einem Zeitalter der unbestrittenen Herrschaft des gedruckten Wortes, des Bildes und des Films, der Schallplatte, des Radios, der Schreibmaschine, der Fotografie, der Kamera, der schnellen Nachrichtenübermittlung und Verkehrsverbindung durch Bahn, Auto und Flugzeug.“ (Freinet, Célestin: 1979. S. 18.).
Ohne die sozialen und pädagogischen Notwendigkeiten der Schule vernachlässigen zu wollen, erkannte Freinet die Wichtigkeit einer Bildungsreform, die von den Wurzeln ausgehen müsste und nicht von oben herab verordnet wird. Die politische Forderung nach einer Gesellschaftsveränderung bringt Freinet in der Prognose zum Ausdruck, dass das zur Macht gelangte Volk seine eigene Schule und seine eigene Pädagogik haben wird. „Diese Machtübernahme hat begonnen. Warten wir nicht länger, um unsere Erziehung der neu sich gestaltenden Gesellschaft anzupassen!“(Freinet, Célestin: ebda. S. 20)
Die Konsequenz einer Demokratieerziehung im Schulalltag wird hier unübersehbar. Entgegen der aktuellen bildungshierarchischen Einteilung der Kinder in Kindergarten, Grundschule und Mittelschule, sprach Freinet von Kinderreservaten und Kindergärten vom zweiten bis vierten Lebensjahr, von einer Mutter- und Kinderschule für Kinder des vierten bis siebten Lebensjahres und von den Primarschulen für Kinder von sieben bis vierzehn Jahren. Alle Entwicklungsperioden betreffend war Freinet eine kindgerechte, natürliche und von pädagogischen und fachkompetenten Personen begleitete Umgebung wichtig. Eine am Kind und seinen Interessen orientierte Pädagogik erforderte auch strukturelle Veränderungen im konkreten Schulalltag. Dieser Forderung wurde Freinet mit der Einrichtung von
vier Ateliers für die manuelle Elementararbeiten,
- Feld- und Tierarbeit,
- Schmiede und Schreinerei,
- Spinnen, Weben, Schneidern, Kochen, Hauswirtschaft,
- Konstruktion, Mechanik, Handel und
vier Ateliers für gemeinsam zu verrichtende und sich allmählich entwickelnde geistige Arbeitsvorhaben,
- Nachschlagekiste für Unterrichtsvorhaben, Wissenserwerb, Dokumentensammlung – dies entspricht wohl deinem Dokumentationszentrum,
- experimentieren,
- Schöpferische Betätigung, grafische Gestaltung und Korrespondenz,
- künstlerisches Schaffen, Ausdruck und Mitteilung
und mit klar strukturierten Unterrichtstechniken für eine Erziehung durch Arbeit gerecht. Freinet gibt klare Ordnungen und Strukturen vor, in denen die volle Entfaltung der kindlichen Interessen und Neigungen erfolgen kann. Die Erweiterung und Vervollständigung der Ateliers und deren Materialien überträgt Freinet der Verantwortung der Lehrer und der Kinder.
Freinet strebte im Unterricht mit seinen Kindern den Gedankenaustausch und die Kooperation mit Schulen aus dem In- und Ausland an. Als wichtigen Bestandteil schulischer Aktivitäten betrachtete er den Austausch und die gegenseitige Unterstützung in der Lehrerschaft, auch über die nationalen Grenzen hinaus. Célestin Freinets persönlicher Weg war von starken gesellschaftlichen und politischen Querelen und auch persönlichen Zerwürfnissen geprägt. Trotzdem fand er immer wieder den Mut und die notwendigen Finanzmittel für die Umsetzung seiner Ideen, der Reform des öffentlichen Schulwesens.
Der wohl umfassendste Ansatz von Demokratieerziehung lässt sich im Vergleich zu den anderen reformpädagogischen Modellen im Gedankengut und in den Theorien Freinets finden. „Die Demokratie aber – das beweisen zahllose Texte – erwartet von euch aktive Arbeiten mit viel Eigeninitiative, Bürger, die eifersüchtig auf ihre Freiheiten bedacht sind, aber falls es heißt, einer gerechten Sache gemeinschaftlich zu dienen, auch bereit und fähig sind, sich diszipliniert zu verhalten. Demokratie verlangt Menschen, die aus den Reihen hervortreten, um sich kühn zur Bewältigung von Schwierigkeiten an die Spitze zu stellen, … , die aber voranschreiten, Erfolge erringen, Neues konstruieren und erschaffen.“ (Freinet, C., 1998, S. 114)
Freinet-Pädagogik ist eine Pädagogik der Kommunikation und daher eine pädagogische Grundlage für den Austausch im Internet, (Weblogs) mittels E-Mail.
Gedanken zur Unterrichtskonzeption
Die pädagogischen Grundideen Célestin Freinets zielen auf „offene und befreiende Erziehung“ ab und manifestieren sich im konkreten Unterricht in den folgenden Realisierungen. Dabei muss ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass Célestin Freinet seine Pädagogik als Pädagogik des Volkes und damit auch als eine Pädagogik für die Regelschule verstanden wissen wollte. Freinet-Pädagogik war niemals und ist auch heute keine Pädagogik für die, die es „sich leisten“ können.
Die Schüler sitzen nicht mehr passiv in ihren Bänken und warten auf die Aufträge eines Lehrers, die sie dann in ihren Büchern und Heften arbeiten, sondern sie gehen im Unterricht alleine, zu zweit oder in Gruppen verschiedenen Arbeiten nach, die sie sich selbst gewählt haben. Sie drucken Texte, arbeiten Referate aus, führen Experimente durch, arbeiten an einem Mathematiklehrgang oder üben auch handwerkliche Tätigkeiten aus. Die Arbeiten sind für die Schüler nicht sinnentleert. Sie haben sie selbst gewählt und damit einen wichtigen Schritt zu einer selbstbestimmten Arbeit, zur eigenen selbstbestimmten Entwicklung und meist auch zu einer kooperativen Arbeit getan.
Die Arbeitsmittel sind nicht mehr nur Schulbücher und Schulhefte, sondern in der Freinet-Pädagogik vor allem eben die Druckerpresse, der Schreibcomputer, eine Dokumentensammlung, die Arbeitsbibliothek, verschiedenartige Werkzeuge und Materialien, Lehrgänge und dgl. mehr. Die Arbeit der Kinder ist im Vergleich zum verbalistischen Unterricht das vorherrschende Element in der Lerngruppe. Die herkömmliche Fächertrennung ist meist aufgehoben, eine altersheterogene Einteilung der Schüler in Lerngruppen ermöglicht und erleichtert eine intensive Zusammenarbeit der Schüler. Die Arbeit der Schüler wird nach Möglichkeit in einer gleichgewichtigen Verbindung von manuellen, intellektuellen und künstlerischen Tätigkeiten vor sich gehen – wie bei Pestalozzi: Lernen mit Kopf, Herz und Hand.
Der Unterricht wird von Lehrern und Schülern als gemeinsames Vorgehen konzipiert. Wochenplanung, Tagesplanung, Exkursionen, Klassenrat, Morgenkreis, Klassentagebuch usw. helfen dabei. Es werden Gruppenarbeiten und auch Einzelarbeiten vorkommen. Die herkömmliche Einteilung des Unterrichts in Fächer und Stunden, in denen diese Fächer dann gehalten werden, entfällt zugunsten einer entsprechenden Planung der Lerngruppe.
Die Unterrichtsplanung wird prinzipiell von den Interessen und den Bedürfnissen der Schüler ausgehen, wobei der (staatliche) Lehrplan in allen Fällen ein in die Planung zu integrierendes Element sein wird (muss). Zentrale Elemente der Freinet-Pädagogik sind jedoch die Selbstbestimmung und die Eigenverantwortung. Diese können Kindern nur lernen, wenn man ihnen auch täglich die Möglichkeit in einem ernst zu nehmenden Rahmen dazu gibt. „Zu erkennen, was ich möchte“, ist der entscheidende Entwicklungsprozess des Menschen, eingebettet in eine konkrete Gemeinschaft in der Auseinandersetzung mit Pflichten, Rechten und Grenzen. In diesem Zusammenhang erhält auch der „freie Ausdruck“ von Gedanken, Erlebnissen und Gefühlen seinen pädagogischen Stellenwert im Unterricht der Freinet-Pädagogik.
Diese Denkrichtung fortsetzend, wird auch einsichtig, dass die Schüler soweit wie nur möglich ihre Arbeit selbst organisieren werden und gemeinsam bestimmen, welchen Tätigkeiten und Wissensgebieten sie sich zuwenden werden. Gerade durch diesen Prozess der Selbstbestimmung wird den Kindern einsichtig, warum sie Mathematik, Sprache, Naturwissenschaften usw. lernen sollen und werden. So führt das eigene Interesse des Kindes diese z. B. zum mathematischen Denken und Problemlösen und dies in einer viel intensiveren und interessanteren Art und Weise als um lehrerzentrierten Unterricht. Die schwierige Aufgabe des Lehrers bzw. der Lehrerin besteht darin, das Kind auf seinem Weg des entdeckenden Lernens didaktisch und methodisch fundiert zu begleiten. Außerdem dürfen wir immer darauf vertrauen, dass Kinder auch das lernen wollen, was im Lehrplan steht …
Der Lehrer, die Lehrerin hat in einem kooperativ organisierten Unterricht vorwiegend helfende, koordinierende und beratende Funktion. Doch das wird nicht genügen. Er wird korrigieren müssen, und er wird dafür sorgen müssen, dass auch die Teile des Lehrplanes für die entsprechende Lerngruppe erfüllt werden. In jeder Form von Freiarbeit muss der Lehrer in einem hohen Maße für die Kinder präsent sein und vermitteln, dass er in jeder Sekunde für sie da ist und wie wichtig er jede Aktivität des Kindes nimmt. Von der Intensität des Annehmens der kindlichen Aktivität und der kindlichen Persönlichkeit hängen weitgehend das Funktionieren und der Erfolg jeglicher Freiarbeit ab. Seine Angebote, seine Wertschätzung und seine gefühlsmäßige Anteilnahme sind die Basis einer Pädagogik der Selbstbestimmung.
Außerschulische Kontakte erhalten eine höhere Bedeutung als im herkömmlichen Unterricht. Es geht nicht darum, dass das Leben in die Schule hineingenommen wird, sondern dass die Kinder die Schule verlassen und wieder in das Leben hinausgehen. Möglichst viele Exkursionen und lebensechte Erfahrungen werden hier angestrebt.
Célestin Freinet illustrierte Aspekte seiner Pädagogik in einer unnachahmlichen Art und Weise:
Lernversuche
„Seien wir ehrlich: wenn man es den Pädagogen überlassen würde, den Kindern das Fahrradfahren beizubringen, gäbe es nicht viele Radfahrer.
Bevor man auf ein Fahrrad steigt, muss man es doch kennen, das ist doch grundlegend, man muss die Teile, aus denen es zusammengesetzt ist, einzeln, von oben nach unten, betrachten und mit Erfolg viele Versuche mit den mechanischen Grundlagen der Übersetzung und mit dem Gleichgewicht absolviert haben.
Danach – aber nur danach! – würde dem Kind erlaubt, auf das Fahrrad zu steigen. … Aber sicher, erst wenn der Schüler fehlerfrei auf das Fahrrad steigen könnte, dürfte er sich frei dessen Mechanik aussetzen. Glücklicherweise machen die Kinder solchen allzu klugen und allzu methodischen Vorhaben der Pädagogen einen Strich durch die Rechnung. In einer Scheune entdecken sie einen alten Bock ohne Reifen und Bremse, und heimlich lernen sie im Nu aufzusteigen, so wie im übrigen alle Kinder lernen: ohne irgendwelche Kenntnis von Regeln oder Grundsätzen grapschen sie sich die Maschine, steuern auf den Abhang zu und … landen im Straßengraben. Hartnäckig fangen sie von vorn an und – in einer Rekordzeit können sie Fahrrad fahren. Übung macht den Rest.
Am Anfang jeder Eroberung steht nicht das abstrakte Wissen – das kommt normalerweise in dem Maße, wie es im Leben gebraucht wird – sondern die Erfahrung, die Übung und die Arbeit.“ (Freinet, Célestin, pädagogische texte, S. 21)
Jena-Plan-Pädagogik
Peter Petersen geht es mit seinem Schulkonzept nach dem Jena-Plan um die Erziehung des ganzen Menschen und nicht um die Ausbildung von Teilfunktionen. Daher stellt sich Peter Petersen vor und mit dem Beginn seines Schulversuches die Grundfrage: „Wie soll die Erziehungsgemeinschaft beschaffen sein, in der und durch die ein Mensch seine Individualität und Persönlichkeit vollenden kann?“ ( Petersen, Peter: (1927) 1951; S. 7)
Die Antwort ist der Grundriss einer Schule, der die Verwirklichung der „Idee der Erziehung“ sowie den Aufbau von Erziehungsgemeinschaften ermöglicht. Dies hat zur Folge:
Aufgabe des überlieferten Jahrgangsklassensystems zugunsten des „Stammgruppensystems“; die Stammgruppe umfasst in der Regel drei Altersjahrgänge (mit Begriffen von Petersen: Lehrlinge, Gesellen und Meister).
Aufgabe des überlieferten Stundenplans („Fetzenstundenplan“) zugunsten des „Wochenarbeitsplanes“; er richtet sich nach den „Urformen der Bildung“ (Gespräch, Spiel, Arbeit und Feier).
Einbettung des Unterrichts in das „Schul- und Unterrichtsleben“; im Mittelpunkt des Schullebens steht die Bewältigung von „Lebenssituationen“ unter pädagogischem Aspekt.
Stellung des Lehrers als eines „Führers“ von Kindern und Jugendlichen; der Lehrer als Führer ist konstitutiv für seine Gruppe. „Im Gegensatz zur überlieferten Schule muss er hier Führer sein oder alles bricht zusammen.“ (Petersen, Peter (1937), 1951, S. 22) „Führer sein“ heißt: Autorität als zwischenmenschliches Verhältnis auf der Grundlage des Vertrauens aufbauen und besitzen – und nicht: Herrschaft und Macht ausüben.
Diese vier Prinzipien sichern den Vorrang der Erziehungsidee vor dem Unterricht im Sinne des „Einlernens“ und der Wissensvermittlung und –aufnahme. Sie machen zugleich deutlich, dass in dieser Arbeits- und Lebensgemeinschaftsschule, wie Peter Petersen seine Schule auf bezeichnet, das Prinzip der „Ordnung“ dominiert. Peter Petersen betont die „Führung des Unterrichts“ und die „Führung im Unterricht“ und weist mit Nachdruck auf die Bedeutung und die Notwendigkeit der „Vorordnungen des Unterrichts“ hin. (Petersen, Peter (1937), 1951, S. 43ff., S. 66ff.) Das alles zeigt, dass Peter Petersen und seine Schule nicht jener Richtung der Reformpädagogik zuzurechnen ist, die vom „Wachsenlassen“ und von der unumschränkten Selbststeuerung des Kindes ausgeht. (Vgl. Dietrich, Theo: Die Vorgeschichte des Jena-Plans – nationale und internationale Einflüsse. In: Salzmann, Christian (Hrsg.) 1987, S.131.)
Die didaktischen und methodischen Überlegungen kommen, seiner Auffassung nach, erst dann zur Geltung und als „besondere Aufgaben“ der Schule zu ihrem Recht, wenn ein echtes und reiches Gemeinschaftsleben funktioniert. Peter Petersen bezeichnete seine Schule als eine „Lebensstätte“ als eine Erziehungs- und Unterrichtsanstalt, die nur an den Schülern interessiert sein kann. Deswegen darf der Klassenraum nicht länger Belehrungszelle sein, er muss vielmehr zur „Schulwohnstube“ ausgestaltet werden (Vgl. Röhrs, Hermann: 1986 S. 215.). Petersen zweifelte am bestehenden „Fetzenstundenplan“ und setzte an seine Stelle den „rhythmischen Wochenarbeitsplan“, der es den Kindern ermöglichte, in diesem Rahmen den selbst gewählten Inhalten und Interessen nachzugehen, den Lehrern aber nicht die schulpädagogisch sinnvolle Position im schülerzentrierten Unterricht abspricht. Der Lehrer hat den Unterricht so vorzuordnen und im Unterricht solche Hilfen zu geben, dass es Kindern gelingen kann, selbstständig Probleme zu finden, zu bearbeiten und zu lösen. Dies kann in Einzel-, Partner- oder Gruppenarbeit geschehen, Kinder können sich zurückziehen und Arbeiten in Ruhe und Gelassenheit weiter denken oder zu Ende führen. So gesehen kann eine Jena-Plan-Schule immer auch als eine Schule des Schweigens und der Stille bezeichnet werden. Peter Petersen verstärkt diese Haltung durch eine Kultur der Bildungsgrundformen
Gespräch,
Spiel,
Arbeit und
Feier.
Nach Peter Petersen ist, entwicklungspsychologisch betrachtet, das Gespräch auch die wichtigste Kommunikationsform und findet vor allem Anwendung in den Kreisgesprächen, im Klassenrat, bei Präsentationen sowie bei Partner- und Gruppengesprächen. Für das Spiel in seiner vielfältigen Anwendung muss in einer Jena-Plan-Schule genügend Raum und Zeit gegeben werden, wobei der Lehrer Beobachter ist. Das Spiel wird als anderer Bereich der Entwicklung gesehen als die Arbeit.
Unter Arbeit verstand Peter Petersen die selbst bildende und eigenverantwortliche Arbeit des Kindes in den bekannten Formen der Einzel-, Partner- oder Gruppenarbeit und/oder in einem vom Lehrer, der Lehrerin geleiteten Kurs. Für ein eigenverantwortliches Lernen ist wiederum eine vorbereitete Umgebung mit den entsprechenden Arbeitsmitteln unerlässlich. Jedes Arbeitsmittel „… ist ein Gegenstand, der mit eindeutiger didaktischer Absicht geladen ist, hergestellt, damit sich das Kind frei und selbständig dadurch bilden kann.“ (Petersen, Peter, 1937, S. 182.).
Die Feier ist ein Gesellschaft und Leben bildendes Element und gehört nach Peter Petersen unbedingt zum Schulleben dazu. Der Lehrer bietet den organisatorischen Rahmen oder leitet die Feier, die Kinder gestalten sie selbstständig. Wie im außerschulischen Bereich bietet auch der Schulalltag zahlreiche Anlässe und Begebenheiten für eine Feier, wie etwa der Wochenabschluss im Klassenrat, ein Theaterstück oder der Geburtstag eines Kindes.
An Jena-Plan-Schulen gibt es keine traditionellen altershomogenen Schulklassen mehr. Die grundlegende Organisationsform ist die Stammgruppe, in der die Jahrgangsklassen aufgelöst sind und die für jedes Kind gleichzeitig die Bezugsgruppe darstellt. Weitere Gruppenzugehörigkeiten, wie z.B. zu einer Freundschaftsgruppe oder zu einem Kurs, bestimmen das Schulleben der Schülerinnen und Schüler.
Die Gruppierungsformen
Eines der deutlichsten äußeren Kennzeichen des Jena-Plan-Unterrichtes ist die Gruppierung der Kinder; möglicher Altersaufbau der Gruppen nach Peter Petersen:
– 4 und 5-jährig – Kleinkindergruppe
– 6 – 9-jährige Kinder
– 9 – 12-jährige Kinder
– 13 – 14-jährige Kinder
– 15 – 16-jährige Kinder.
Peter Petersen wendet sich immer wieder entschieden gegen die klassikale Unterrichtsstruktur und gegen eine altershomogene Klasseneinteilung. Die Fiktion einer homogenen Lerngruppe existiert im Jena-Plan nicht. Eine Einteilung der Kinder einer Schule in Jahrgangsklassen geht von der falschen Voraussetzung aus, dass Kinder gleichen Alters sich auch auf einem gleichen Entwicklungsniveau befänden und dass sie dadurch auch für den „gleichen“ Unterricht fähig wären. In weiterer Konsequenz bedeutet die Ordnung einer Schule nach Jahrgängen, dass alle Schüler zur selben Zeit auch dieselben Ziele erreichen sollen, weiters einen nach Schuljahren geordneten Lehrplan und letztendlich die Möglichkeit des „Sitzenbleibens“ … In einer Schule ohne Jahrgangsklassen gäbe es auch kein Sitzenbleiben mehr, das Peter Petersen treffen als „Sitzenbleiberelend“ bezeichnet! In einer Schule ohne Jahrgangsklassen werden auch die Ziele des Lehrplanes erreicht, vielleicht früher, vielleicht später, je nach Entwicklungsstand des Kindes.
Meist finden wir in den verschiedenen Jena-Plan-Schulen folgende Gruppen, denen die Kinder angehören können:
– die Stammgruppe,
– die Tisch- und Arbeitsgruppe,
– die Niveaugruppe und
– die freie Wahlgruppe.
„Die Vereinigung von jeweils drei Jahrgängen ist keine Willkür. Sie ergab sich in Jena aus den ab 1925 durchgeführten planmäßigen Versuchen. (…) Kinder einer solchen Phase – also von durchschnittlich drei Jahren – gehören irgendwie seelisch – und was noch wichtiger für den Pädagogen ist – allgemein menschlich enger zusammen, d. h. sie bedeuten etwas Besonderes für einander, können sich gegenseitig besonders viel sein und geben.“
Innerhalb der Stammgruppe unterscheiden wir „Tisch- und Arbeitsgruppen“. Sie werden von den Kindern frei zusammengestellt. Die Funktion der Tischgruppe kommt am deutlichsten bei der Gruppenarbeit zum Ausdruck. Für differenziertes und leistungsbezogenes Arbeiten können die Kinder auch in so genannte „Niveaugruppen“ eingeteilt werden. In diese Gruppe(n) werden Kinder eingeteilt, die ungefähr den gleichen Lernfortschritt in einem bestimmten Lerngebiet haben. Programmteile einer Jena-Plan-Schule, die so organisiert werden, werden Niveaukurse genannt. Ab dem 5. Schuljahr werden in der ganzen Schule die Niveaukurse täglich gleichzeitig organisiert. Durch die Organisation in Niveaukursen ist das „Sitzenbleiben“ überflüssig geworden. Jedes einzelne Kind kann in seinem Lerntempo den Stoff, der so organisiert wird, bewältigen, da die Einteilung nach dem jeweiligen Niveau des Kindes stattfinden kann. Beheimatet ist jedes Kind nach wie vor in seiner Stammgruppe. Für die Individualisierung des Lernens können auch „freie Wahlgruppen“ eingerichtet werden.
Altersheterogenität
Peter Petersen wurde nicht müde, immer wieder die Notwendigkeit der zitierten Altersmischung in den verschiedenen Gruppen einer Jena-Plan-Schule zu betonen. Wir können hier nur einige Vorteile der altersgemischten Gruppe als Unterrichtsform herausheben. Demnach entspricht die Altersmischung dem Leben und daher auch dem Normalitätsprinzip viel eher als die im Leben selten bis gar nicht vorkommende altershomogene Gruppierungsform. Kinder und Jugendliche leiden weniger unter den so genannten Nahtstellen eines Schulsystems und stehen unter geringerem Leistungsdruck, da weniger Konkurrenz durch Gleichaltrige in den Stammgruppen vorherrscht. Kinder und Jugendliche erleben sich immer wieder in verschiedenen sozialen Rollen, mal als Lehrling, dann als Geselle und auch als Meister. Altersheterogenität ist eine wesentliche Voraussetzung, dass Kinder voneinander lernen können und damit auch der Erziehungsidee Peter Petersens. In altersgemischten Gruppen werden Kinder mit Entwicklungsrückständen nicht so leicht zu Außenseitern – jedes Kind kann sich nach seinem individuellen Entwicklungstempo entwickeln. Im Vordergrund des schulischen Lebens steht mehr Kooperation an Stelle von Konkurrenz, und jüngere Kinder lernen Modelle der Konfliktlösung von älteren.
Die Schulwohnstube
Peter Petersen gestaltet einen anregenden Lern- und Arbeitsraum für Kinder. Gruppentische, Bewegungsraum und vielfältige Arbeitsmittel in klarer Anordnung erscheinen geradezu als Bedingung für das „gruppenunterrichtliche Verfahren“ im Sinne des Jena-Plans. „Der Raum werde zu einer ‚Schulwohnstube‘. Darum gehört in ihn keine Hobelbank, kein Sandkasten und dgl. Und zwar nicht wegen der hygienischen Bedenken und störenden Arbeitsgeräusche, sondern weil das Ethos in einer Werkstatt ein anderes ist als das in einer Wohnstube, auch, als das einer Schulwohnstube sein soll.“ Die gestaltete Schulwohnstube ist ausdrücklich mit Peter Petersens Erziehungsidee verknüpft: … „eine Arbeitsgemeinschaft, in der alle individuellen Kräfte, die sozialen, sittlichen und intellektuellen, bestens genährt werden, keine Eigenart verkümmert.“
Subjektiver und objektiver Bericht – Charakteristik statt Zensur
Es werden nach Möglichkeit und Gesetzgebung keine Ziffernnoten erteilt. Als Zeugnis werden ein objektiver und ein subjektiver Bericht erstellt. Der objektive Bericht ist Grundlage für die Verständigung mit den Eltern über die gemeinsame Erziehungsarbeit.
Der subjektive Bericht ist Grundlage für eine abschließendes Gespräch mit dem Kind und zugleich das „Zeugnis“, das mit nach Hause genommen wird. „Am Schlusse eines Jahres wird eine Charakteristik eines jeden Kindes angefertigt. (…) Für die objektive Charakteristik tragen alle Lehrer, die mit dem Kindes zu tun hatten, ihre Beobachtungen und Urteile über das Kind ein und stellen sie den Eltern zur Einsicht, zur kritischen Stellungnahme und zur Gegenäußerung frei. Den Eltern wird eingeschärft zu bedenken, dass alles, was dort niedergelegt sei, für sie und nicht für ihre Kinder bestimmt sei. Der objektive Bericht soll dazu dienen, die Eigenart des Kindes, seine Begabungen, seine guten und schlechten Neigungen so vielseitig wie nur irgend möglich im rechten Lichte zu erkennen. (…) Auf der Grundlage des objektiven verfasst jeder Gruppenleiter den subjektiven Bericht, dazu bestimmt, dem Kinde in die Hand gegeben und von jedermann gelesen zu werden, dem Eltern und Kinder ihn geben wollen. Es bildet die Aufgabe des Lehrers, nur das dem Schüler zu sagen, was nach seiner besten Überzeugung für dieses Kind das Beste ist, was die reinste erzieherische Wirkung auszuüben im Stande sein mag.“
Dass dort, wo ein Lernen konsequent gepflegt wird, das seinen Anfang beim kindlichen Interesse nimmt, Noten und Zeugnisse ihre hypertrophe Bedeutung einbüßen, verdient kaum erwähnt zu werden, wohl aber, dass nach Formen gesucht wird, Leistungen der Kinder in pädagogisch verantwortlicher Weise anzuerkennen und individuell zu bewerten. Gleichförmigkeit und Uniformität können in keiner Jena-Plan-Schule zu rechtfertigen sein.
Ein Konzept zur Unterrichts-und Schulentwicklung
Zusammenfassend soll nochmals darauf hingewiesen werden, dass Peter Petersen in seiner pädagogischen Konzeption die Einzigartigkeit jedes Menschen und die damit verbundene Würde des Menschen herausstreicht. Diese Würde verlangt, dass jeden Menschen immer mit Respekt begegnet wird. Für ihn hat jeder Mensch ungeachtet seiner ethnischen Herkunft, seiner Nationalität, seines Geschlechts, seines sozialen Umfeldes, seiner Religion, seiner Lebensanschauung oder seiner Behinderung das Recht, eine eigene Identität zu entwickeln, die durch ein größtmögliches Maß an Selbstständigkeit, kritischem Bewusstsein, Kreativität und sozialer Gerechtigkeit gekennzeichnet ist. Daher soll die Schule die Menschen darauf vorbereiten, dass sie an einer Gesellschaft arbeiten, die den unersetzbaren Wert und die eigene Würde jedes einzelnen Menschen achtet und in der gerecht, friedlich und konstruktiv mit Unterschieden und Veränderungen umgegangen wird.
Die Schule ist eine relativ autonome, kooperative Organisation aller Beteiligten, in der der Unterricht in einem rhythmischen Wechsel der Bildungsgrundformen Gespräch, Spiel, Arbeit und Feier gestaltet. In der Schule werden das Lernen voneinander und die Fürsorge untereinander durch eine nach Alter und Entwicklungsniveau heterogene Gruppierung der Kinder stimuliert. In der Schule erfolgen selbständiges Arbeiten, entwickelnder Unterricht und spielerisches Lernen in einem rhythmischen Wechsel; sie werden ergänzt durch stärker angeleitete und begleitete Lernaktivitäten. Forschendes und entdeckendes Lernen sowie Gruppenarbeit nehmen eine zentrale Position ein und die Verhaltens- und Leistungscharakteristik eines Kindes oder Jugendlichen wird so weit wie möglich aufgrund des Entwicklungsverlaufs des Kindes oder Jugendlichen und erst nach einem Gespräch mit den betroffenen erstellt.
Montessori-Pädagogik
Selbstfindung und Selbstverwirklichung, selbständiges und selbst organisiertes Lernen, die Fähigkeit zum Leben begleitenden Lernen, die Fähigkeit zur Arbeit im Team und letztlich auch zum friedlichen Zusammenleben in einer Gemeinschaft sind aktuelle und moderne Bildungsziele, die durch ein didaktisch in sich geschlossenes Konzept der Selbstbildung, wie die Montessori-Pädagogik eines darstellt, realisiert werden können. (Vgl. auch: Eichelberger, Harald; 1997.)
Während sich der „herkömmliche“ Erzieher (und Lehrer) als Schöpfer des kindlichen Geistes versteht, bedeutet Bildung im Sinne Maria Montessoris Selbstschöpfung. Grundbedingung für diesen Prozess der Selbstschöpfung ist nach Maria Montessori vor allem die Freiheit für die eigene individuelle Entwicklung des Kindes innerhalb eines pädagogisch definierten Rahmens, der diesen Prozess der Selbstschöpfung überhaupt erst möglich macht. Diesen Rahmen können wir durch die pädagogischen Grundgedanken Maria Montessoris umschreiben.
Wie wird die Selbstbildung des Kindes innerhalb der Schule (und auch innerhalb der Familie) ermöglicht? Dabei geht es uns in pädagogischer Verantwortlichkeit niemals um bloßes gewähren lassen. Der oft zitierte, zum Leitgedanken der Montessori-Pädagogik gewordene Ausspruch eines Kindes „Hilf mir, es selbst zu tun!“ bedeutet im tieferen Sinn „Hilf mir, es selbst zu tun, der oder die zu werden, der oder die ich bin“. Wir gehen daher in diesem Zusammenhang von der Grundfrage aus: Wie kann ich einem Kind in seiner individuellen Entwicklung und in einer ganz bestimmten Gesellschaft behilflich sein, zu einer optimalen Entwicklung seiner intellektuellen, psychischen und physischen Fähigkeiten und Fertigkeiten unter Berücksichtigung der notwendigen gesellschaftlichen Erfordernisse zu gelangen?
Wir könnten die Begriffe Freiheit, Sensible Phasen, Vorbereitete Umgebung, Entwicklungsmaterialien, Polarisation der Aufmerksamkeit, Absorbierenden Geist ebenso Orientierungspunkte nennen, die es uns ermöglichen, die äußere und innere Ordnung in unserer Arbeit mit den Kindern zu finden, um ihnen auf dem Weg zu Selbstbestimmung zu helfen. Wir gehen von der Voraussetzung aus, dass die Freisetzung des Lernenden zur eigenen Entwicklung eine klare, eindeutige und für den Lernenden deutlich erkennbare Struktur benötigt, um eine Orientierung in und zur Selbstbestimmung finden zu können. Nach der Vorstellung Maria Montessoris finden wir diese Struktur im Aufbau und in der Anordnung der Entwicklungsmaterialien, in der richtigen Darbietung derselben, im respektvollen Umgang mit den Kindern, der Achtung vor ihrem Willen und in der Empathie der Lehrerin, sich in den inneren Bauplan des Kindes ein zudenken und einzufühlen.
Die sensiblen Phasen
Maria Montessori hat die sensiblen Perioden nicht als erste entdeckt, aber während der Arbeit mit ihren Kindern immer wieder beobachtet. Die eigentliche Entdeckung geht auf den Holländer Hugo des Vries zurück, und Montessori fasst die Entdeckungen von de Vries in folgender Definition zusammen: „Es handelt sich um besondere Empfänglichkeiten, die in der Entwicklung, das heißt im Kindesalter des Lebewesens, auftreten. Sie sind von vorübergehender Dauer und dienen nur dazu, dem Wesen den Erwerb einer bestimmten Fähigkeit zu ermöglichen. Sobald dies geschehen ist, klingt die betreffende Empfänglichkeit wieder ab.“ (Montessori, Maria; (1952) 1967.)
Es scheint Maria Montessoris Verdienst zu sein, auf Grund der soeben erwähnten gezielten und gründlichen Beobachtungen elementare Sensibilitäten, die fundamentale Bedeutung für die Selbst-Konstruktion des Menschen in seinem Bildungs- und Selbstwerdungsprozess haben, entdeckt zu haben. An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass Maria Montessori ihre Entwicklungsmaterialien in Abstimmung auf die Sensibilitäten der jeweiligen Entwicklungsphasen des Kindes geschaffen hat. Und das Ziel, auf das alle didaktischen Bemühungen gerichtet sind, besteht in der Intention, dem Kind zu helfen, sich durch Selbständigkeit und Selbsttätigkeit zur freien Persönlichkeit zu entwickeln. Dieses Ziel lässt sich auch wie folgt formulieren: das Kind als geistiges Wesen fähig machen, seinen Weg ganz allein zu finden. Das genannte Ziel soll unter Berücksichtigung oder in Anlehnung an die jeweiligen Empfänglichkeitsperioden durch viele kleine didaktische Teilziele erreicht werden. „Wir wollen den Selbstaufbau des Menschen in der dazu geeigneten Periode unterstützen.“ (Montessori, Maria; 1975, S.193.)
Die erzieherische Arbeit vollzieht sich konkret durch die Förderung von phasenspezifischen Sensibilitäten, das heißt durch die Begegnung des Kindes mit den ihm angebotenen didaktischen Inhalten. Im Idealfall erreicht das Kind dann in seiner Arbeit mit dem Material den Zustand der Polarisation der Aufmerksamkeit. In diesem Zustand spielt sich nach Maria Montessoris Annahme der eigentliche Reife- und Entwicklungsprozess der Kinder ab. Der Vorgang der Polarisation der Aufmerksamkeit ist ein genuiner und komplexer Bildungsprozess, während dem sich das Kind mit allen seinen Sinnen und seiner Innerlichkeit so auf eine Tätigkeit konzentriert, dass es gleichsam einen Zustand des „In-sich-Versunkenseins“ erreicht. Das Zustandekommen und die optimalen Wirkungen dieses Vorgangs sind an das exakte Zusammentreffen von Sensibilitäten und einer ihnen entsprechenden Anregungsumwelt gebunden.
Ihr berühmt gewordener Ausspruch „Kinder sind anders!“ kann in diesem Zusammenhang so erklärt werden: Erwachsene nehmen ihr Wissen mit Hilfe der Intelligenz auf, das Kind absorbiert es mit seinem psychischen Leben. Gerade darin äußert sich das qualitative Anderssein der frühkindlichen Intelligenz und ihrer Aktivitäten. Das Schicksal der beschriebenen Sensibilitäten hängt weitgehend davon ab, welche Erfahrungen dem Kind in der Umwelt ermöglicht und aktiv angeboten werden. Genau zu diesem Zweck schuf Maria Montessori ihr Entwicklungsmaterial und die vorbereitete Umgebung. Bei der Einrichtung von Montessori-Klassen oder Montessori-Gruppen ist auf die didaktische Anordnung des Entwicklungsmateriales in einer vorbereiteten Umgebung zu achten. Die vorbereitete Umgebung hat den Sensibilitäten der Kinder angepasst zu sein. Darüber hinaus genügt es nicht, wenn die Umgebung nur vorbereitet ist, sie muss auch eine entspannte Umgebung sein.
Die vorbereitete Umgebung
Das Einrichten einer vorbereiteten Umgebung erfordert von den Lehrerinnen hohe Sensibilität in der Frage, ob diese Umgebung auch den Bedürfnissen und Interessen der jeweiligen Kinder entspricht. Die vorbereitete Umgebung strukturiert die Arbeiten der Kinder und der Lehrerinnen in der Weise vor, dass die Kinder die besten Entwicklungsbedingungen vorfinden. (Montessori, Maria; 1966, S. 55.) Sie enthält neben der kindgerechten Einrichtung des Klassenraumes die Entwicklungsmaterialien in einer für das Kind erfassbaren didaktischen Anordnung. Die Vorbereitung der Umgebung erschöpft sich jedoch keinesfalls im Anbieten von „irgendwelchen Arbeitsmitteln und toten Materialien, so wichtig diese auch sind, sondern es ist damit ein menschlich durchwaltetes, reiches und „lebensvolles“ Kulturmilieu im umfassendsten Sinn gemeint“. (Oswald, Paul: Menschenbildung als Anliegen Montessoris (1968). In: Schulz-Benesch, Günter; 1970, S. 385.)Zur Vorbereitung der Umgebung gehört auch, dass das Lernen und Leben der Kinder in einer entspannten Umgebung stattfinden kann. Und so ist auch die Lehrerin in ihrer akzeptierenden Einstellung und Haltung zum Kind, ihrem umfassenden didaktischen Wissen und Können in der Materialarbeit und in der gemeinsamen hilfreichen Arbeit ein wesentlicher Teil einer vorbereiteten und entspannten Umgebung, in der sich Kinder optimal entwickeln können.
Ein weiteres wesentliches Faktum einer Vorbereiteten Umgebung ist die Einrichtung von Mehrjahrgangsklassen zum Zwecke der Mischung der Lebensalter. (Vgl. Montessori, Maria; 1979, S. 83f.) „Was wir in unseren Schulen suchen, ist nämlich gerade der Altersunterschied. Und wenn wir diesen Unterschied begrenzen sollen, so sagen wir, dass mindestens ein Altersunterschied von drei Jahren gegeben sein muss.“ (Vgl. Montessori, Maria; S. 83.)Danach sollen bis zu drei Jahrgänge in einem Klassenverband zusammengefasst werden, und zwar den Entwicklungsstufen entsprechend die drei bzw. vierjährigen bis sechsjährigen, die sieben- bis neunjährigen und die zehn- bis zwölfjährigen. Diese Zusammensetzung eröffnet auch in unserem Schulsystem eine Verbindung zwischen der vorschulischen und der Grundschulerziehung. Diese Struktur ermöglicht den Kindern vielfältige intellektuelle, soziale und emotionale Erfahrungen. Die Möglichkeit von offenen Türen (zwischen den einzelnen Lerngruppen) stellt nicht nur eine Freiheit des Verkehrs unter den Gruppen, sondern auch eine Freiheit des Lernens unter den verschiedenen Niveaus und Graden der Bildung sicher. „Es ist nicht wichtig zu welcher Klasse man gehört, ob es die erste, die zweite oder die dritte Gruppe ist, sondern die Tatsache ist wichtig, dass sie voneinander lernen und dabei wachsen und sich entwickeln. Es ist der Gedanke: „Ich gehe hin und studiere Dinge, die für mich sinnvoll sind und die mich interessieren“. (Vgl. Montessori; 1979, S. 87.)
Die angepasste oder vorbereitete und entspannte Umgebung muss so beschaffen sein, dass sie die Selbständigkeit des Kindes fördert mit dem Ziel, dass das Kind durch seine eigene Aktivität den Aufbau (die zunehmende Organisation) seiner Persönlichkeit vollziehen kann. Das wiederum ist nur möglich durch entsprechende Interaktion mit seiner Umgebung. (Vgl. Holtstiege, Hildegard; 1968, S. 128f.) Die vorbereitete Umgebung muss dem kindlichen Entwicklungsstand entsprechend geschaffen werden und beschaffen sein und im Interessensangebot und in den dargebotenen Materialien den Sensibilitäten der Kinder entsprechen.
Zum Entwicklungsmaterial
Mit Hilfe des Entwicklungsmaterials ist es den Kindern möglich, ihre intellektuellen, psychischen und motorischen Fähigkeiten zu entwickeln. Innerhalb der sensiblen Perioden gelingt dies besonders gut. Kinder können mit diesen Materialien selbständig arbeiten und lernen. Wir unterscheiden nach Maria Montessori Materialgruppen zur Förderung phasenspezifischer Sensibilitäten, wie die Materialien zu den Übungen des täglichen Lebens und zur Sinnesschulung sowie didaktische Materialien für Mathematik, Sprache und kosmische Erziehung. Die didaktischen Materialien bilden die wesentlich größere Materialgruppe. Sie stehen in einem engen Zusammenhang zu den beiden Materialgruppen Übungen des täglichen Lebens und Sinnesschulung.
Bei allen Materialgruppen finden wir durchgehend
das Prinzip der Isolation der Schwierigkeiten,
das Merkmal der Ästhetik und
das Merkmal der Selbstkontrolle.
Die Selbstkontrolle dient der Entwicklung wesentlicher Eigenschaften und Fähigkeiten der Schüler. Die Schüler sollen ihre Arbeit selbstverantwortlich und ehrlich kontrollieren können.
Die vorbereitete Umgebung, in der diese Materialien den Kindern zur Verfügung stehen, bildet einen Ordnungsrahmen für die Arbeit der Kinder. Sie wählen die Materialien selbst aus, können auch selbständig und selbsttätig mit diesen arbeiten oder erhalten von der Lehrerin eine Lektion, wie mit dem Material gearbeitet werden kann. Die vorbereitete Umgebung ist jene pädagogische Struktur, die für jede Art des so genannten offenen Unterrichtes unbedingt notwendig ist. Kinder bedürfen eines klaren pädagogischen Rahmens, der ihnen Orientierung bietet und der selbständiges Arbeiten überhaupt erst ermöglicht.
Die Einführung in den Umgang mit einem Material nennt Maria Montessori Lektion oder Darbietung. Diese wird in der Regel dann gegeben, wenn das Kind bereits Erfahrungen mit dem Material gemacht hat oder besonderes Interesse zeigt. Dabei darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die Lehrerin immer wieder gemeinsame Arbeiten mit dem Materialien anbieten muss.
Präzision und Übersichtlichkeit sind die Grundlage jeder Lektion. Durch Beobachtung weiß die Lehrerin, wann eine Lektion erforderlich ist. Dabei ist es wichtig, dass sie das Material mit dem Kind gemeinsam holt, damit das Kind den Platz des Materials kennt und es nach Gebrauch wieder dorthin bringen kann. Weiterhin müssen folgende Punkte berücksichtigt werden:
Kriterien einer guten Darbietung
Entscheidend sind der persönliche Kontakt und die Atmosphäre bei der Lektion.
Auf dem Tisch oder dem Teppich liegt nur das Material für die Lektion.
Eine Lektion für den Gebrauch eines Materials muss klar und eindeutig sein. Langsame und deutliche Bewegungen sind wichtig. Dabei wird so wenig wie möglich gesprochen. Wichtig ist der ungehinderte Kontakt zwischen Kind und Material.
Die Lehrerin zeigt in der Regel den vollständigen Ablauf einer Materialübung. Wenn das Kind die Lektion verstanden hat, übernimmt das Kind die Arbeit. Die Lehrerin schaut zu und zieht sich eventuell zurück, beobachtet aber weiterhin das Kind.
Die Lehrerin macht nicht auf Fehler aufmerksam. Die Lektion wird zu einem späteren Zeitpunkt wiederholt. Das Kind darf auf keinem Fall entmutigt werden.
Nach der Lektion arbeitet das Kind selbständig weiter. Teilweise ist es auch notwendig, dass Kinder noch ermutigt werden, die Arbeit selbständig weiterzuführen.
Variationen und Erweiterungen sind möglich.
Die Lektionen werden in der Regel einzelnen Kindern gegeben; höchstens Kleingruppen. Individueller Entwicklungsstand, persönlicher Kontakt, Intensität der Aufmerksamkeit sind von grundlegender Bedeutung.
Die Polarisation der Aufmerksamkeit
So wie es beim Zirkel notwendig ist, einen Punkt festzulegen, damit der Kreis genau wird, so ist beim Aufbau des Kindes die Aufmerksamkeit der wesentlichste Punkt. Die Polarisation der Aufmerksamkeit ist das Schlüsselphänomen, dessen Entdeckung Maria Montessori den Zugang zu einer wirksamen Unterstützung kindlicher Entwicklung gewiesen hat. Sie nennt dieses Phänomen „einen wichtigen Stützpunkt, auf dem sich die kindliche Arbeit aufbaut“. (Vgl. Holtstiege, Hildegard; 1968, S. 174.) Das Phänomen der Polarisation der Aufmerksamkeit entdeckte Maria Montessori bei der Beobachtung eines dreijährigen Kindes, das sich mit den Einsatzzylindern beschäftigte:
„Zu Anfang beobachtete ich die Kleine, ohne sie zu stören, und begann zu zählen, wie oft sie die Übung wiederholte, aber dann als ich sah, dass sie sehr lange damit fortfuhr, nahm ich das Stühlchen, auf dem sie saß, und stellte Stühlchen und Mädchen auf den Tisch; die Kleine sammelte schnell ihr Steckspiel auf, stellte den Holzblock auf die Armlehnen des kleinen Sessels, legte sich die Zylinder in den Schoß und fuhr mit ihrer Arbeit fort. Da forderte ich alle Kinder auf zu singen; sie sangen, aber das Mädchen fuhr unbeirrt fort, seine Übung zu wiederholen, auch nachdem das kurze Lied beendet war. Ich hatte 44 Übungen gezählt; und als es endlich aufhörte, tat es dies unabhängig von den Anreizen der Umgebung, die es hätten stören können; und das Mädchen schaute zufrieden um sich, als erwachte es aus einem erholsamen Schlaf.“ (Montessori, Maria: Schule des Kindes; 1976, S. 70.)
Über die pädagogische Bedeutung dieses Phänomens schrieb Maria Montessori: „Dies ist offenbar der Schlüssel der ganzen Pädagogik: diese kostbaren Augenblicke der Konzentration zu erkennen, um sie beim Unterricht in Lesen, Schreiben, Rechnen, später in Grammatik, Mathematik und Fremdsprachen auszunützen. Alle Psychologen sind sich übrigens darin einig, dass es nur eine Art des Lehrens gibt: tiefstes Interesse und damit lebhafte und andauernde Aufmerksamkeit bei den Schülern zu erwecken.“ (Montessori, Maria; (1923), 1954; S. 59.)
Die Bedingungen für die Ermöglichung dieses Phänomens der Konzentration sind den pädagogischen Prinzipien der Montessori-Pädagogik immanent. Die grundlegende Bedingung ist die Beachtung sensibler Phasen. Lehrerinnen können nicht immer die sensiblen Phasen aller Kinder kennen. Darum müssen sie es den Kindern überlassen, welche Interessen und Bedürfnisse für sie im Vordergrund stehen und was sie aus der vorbereiteten Umgebung auswählen und damit lernen wollen. Deshalb muss immer ein Angebot von angemessenen Übungen und Materialien bereitstehen. Die vorbereitete Umgebung muss deshalb auch so strukturiert sein, dass sie eine innere Leitfunktion für die selbständige Entwicklung kindlicher Intellektualität und Personalität enthält. Die Leitfunktion der vorbereiteten Umgebung veranlasst die Lehrerin meist nur zu einem indirekten Eingreifen. Sie reagiert auf die kindlichen Bedürfnisse.
Mit dieser Entdeckung hatte Maria Montessori endgültig einen Zugang zum kindlichen Selbstbildungsprozess gefunden. Die weitere Frage richtete sich auf die systematisch herstellbaren Bedingungen für das Auftreten bzw. Eintreten des Phänomens – die Frage nach der vorbereiteten Umgebung, die Frage nach dem Auftreten der sensiblen Perioden sind grundlegende Bedingungen für das Auftreten der Polarisation der Aufmerksamkeit. Weitere Konditionen sind in der Freiheit der Initiative und der Freiheit der Wahl zu sehen und zu finden. Das Verhältnis zwischen Schülern und Lehrern ist geprägt von einem unbedingten Vertrauen, dass Kinder wissen, was sie lernen wollen und dass Kinder erfüllt sind von einem weiteren Phänomen: dem absorbierenden Geist.
Der absorbierende Geist
„Wir Erwachsenen nehmen die Umwelt nur in unserem Gedächtnis auf, während sich das Kind an die Umwelt anpasst. Diese Form des vitalen Gedächtnisses, das sich nicht bewusst erinnert, sondern das Bild in das Leben des Individuums absorbiert, erhielt von Percy Nunn einen besonderen Namen: „Mneme“… Im Kind besteht für alles, was es umgibt, eine absorbierende Sensitivität …“ (Vgl. Montessori, Maria. In: Hildegard Holtstiege; 1977, S. 41.)
Mit dem Begriff des „absorbierenden Geistes“ bezeichnet Maria Montessori auch die umweltintegrierende Produktivität des Kindes. So schreibt sie in ihrem Alterswerk „Das kreative Kind“, das ursprünglich 1848/49 in Indien unter dem englischen Titel „The Absorbent Mind“ erschienen ist: „Wir sind Aufnehmende; wir füllen uns mit Eindrücken und behalten sie in unserem Gedächtnis, werden aber nie eins mit ihnen, so wie das Wasser vom Glas getrennt bleibt. Das Kind hingegen erfährt eine Veränderung: Die Eindrücke dringen nicht nur in seinen Geist ein, sondern formen ihn. Die Eindrücke inkarnieren sich in ihm. Das Kind schafft gleichsam sein „geistiges Fleisch“ im Umgang mit den Dingen seiner Umgebung. Wir haben seine Geistesform absorbierenden Geist genannt. Es ist schwierig für uns, die Fähigkeiten des kindlichen Geistes zu begreifen, aber es handelt sich zweifellos um eine privilegierte Geistesform.“ (Montessori, Maria; S. 23.)
In „Das kreative Kind“ stellt Maria Montessori nochmals und deutlicher als in „Kinder sind anders“ heraus, dass die kindliche Natur unbewusst menschliche Geisteskraft hervorbringt: „Das Kind verfügt über andere Kräfte, und die Schöpfung, die es vollbringt, ist keine Kleinigkeit: die Schöpfung des Ganzen. Es schafft nicht nur Sprache sondern formt auch die Organe, die es ihm ermöglichen zu sprechen. Jede körperliche Bewegung, jedes Element unserer Intelligenz, alles, womit das menschliche Individuum ausgestattet ist, wird vom Kind geschaffen.“ (Montessori, Maria; 1975, S. 21.)
Deutlich veranschaulicht Maria Montessori mit dem Begriff des absorbierenden Geistes das schöpferische Kräftepotential des Kindes. Kinder sind anders, und Kinder lernen auch anders als Erwachsene. Maria Montessori wie Jean Piaget verweisen hier deutlich auf die Eigenbedeutung der Kindheit, womit sie betonen, dass Kindheit nicht nur als Vorbereitung auf das Erwachsensein gesehen werden kann: Beide schreiben übereinstimmend, dass die intellektuellen und moralischen Strukturen des Kindes von denen der Erwachsenen grundsätzlich verschieden sind, dass aber das Kind dem Erwachsenen in seinen wichtigsten Funktionen sehr ähnlich ist. Wie er ist es ein aktives Wesen, und seine Aktivität unterliegt den Gesetzen des Interesses und innerer und äußerer Bedürfnisse. Jean Piaget veranschaulicht diesen Sachverhalt mit dem bekannten Beispiel von der Kaulquappe und dem Frosch. Beide brauchen Sauerstoff, doch um ihn aufzunehmen, atmet die Kaulquappe mit einem anderen Organ als der Frosch.
Das Konzept der Selbstbildung des Menschen ist in der Konzeption Maria Montessoris von den soeben dargestellten Kriterien bestimmt. Gleichzeitig muss dem Kind für seine Entwicklung in einem Selbstbildungsprozess immer die entsprechende Freiheit eingeräumt werden. Kinder können und werden nur dann die Verantwortung für sich und ihr Werden übernehmen, wenn wir ihnen die Freiheit dazu geben.
Freiheit
Für Maria Montessori ist Freiheit ein wesentlicher Teil der geistig-schöpferischen Grundverfassung des Menschen. Ebenso ist für sie Freiheit eine der unabdingbaren Bedingungen und gleichzeitig auch Ziel eines „Sich-Erringens“ im menschlichen Bildungsprozess. „Wenn man in der Erziehung von der Freiheit des Kindes spricht, vergisst man oft, dass Freiheit nicht mit Sich-überlassen-Sein gleichbedeutend ist. Das Kind einfach freilassen, damit es tut, was es will, heißt nicht es frei machen. Die Freiheit ist immer eine große, positive Errungenschaft; man kann sie nicht leicht erlangen. Man gewinnt sie nicht einfach dadurch, dass man Tyrannei beseitigt, Ketten zerbricht. Freiheit ist Aufbau; man muss sie aufrichten, sowohl in der Umwelt wie in sich selbst. Hierin besteht unsere eigentlich Aufgabe, die einzige Hilfe, die wir dem Kind reichen können.“ (Montessori, Maria; 1923, S. 9.)
Maria Montessori hat, wie andere Reformpädagogen auch, radikal „umgedacht“. Konsequent stellt sie das Kind in den Mittelpunkt ihrer Pädagogik, das Kind, das es „manchmal besser weiß“, mit seinen Interessen, seinen Bedürfnissen und seinem „inneren Bauplan“. Und sie verlangt von den Erziehern das Vertrauen zu den Kindern und zu sich selbst, sich von den Kindern leiten zu lassen. Vielleicht liegt darin das Geheimnis der immer wiederkehrenden Renaissance der Montessori-Pädagogik, daß wir uns noch immer wünschen, als Kind in unserem Sosein und in unserer Entwicklung angenommen worden zu sein.
Die Erziehung Maria Montessoris „beruht demnach auf der Achtung vor der Persönlichkeit des Kindes und auf dem Bestreben, dessen natürlichen Tätigkeitstrieb frei walten zu lassen, statt ihn zu unterdrücken und beherrschen zu wollen. Doch ist damit nicht gemeint, daß das Kind sich selbst überantwortet bleiben, dass es tun und lassen soll, was ihm gerade einfällt. Das hieße mit Grundsätzen arbeiten, die negative Erfolge ergeben müssten. Wir haben positive Arbeit zu leisten, …“ (Maria Montessori, Grundlagen meiner Pädagogik. Erziehung, Bildungswege und Probleme der Gegenwart, 5.Jg., Heft 8, 1952, S.10, zitiert aus „Mein Handbuch“.)
Der Dalton-Plan nach Helen Parkhurst
„Will man den Dalton-Plan in den Kontext des reformpädagogischen Spektrums einordnen, ist zunächst der Aspekt von großer Bedeutung, dass es sich um eines der wenigen reformpädagogischen Modelle handelt, die für die Sekundarschule und für die ‚Regelschule’ entwickelt wurden.“ (Popp, Susanne; 1995)
Helen Parkhurst, die Begründerin des Dalton-Plans beschreibt die didaktisch-methodische Alternativstrategie des von ihr erfundenen und entwickelten Modells folgendermaßen: „Das Grundprinzip besteht also darin, die (traditionellen) Lehrstrategien in eine Didaktik der Aneignungsstrategien zu übersetzen.“ (Popp, Susanne; 1995.) Helen Parkhurst sah in ihrem Plan ein erstes Reforminstrumentarium, um für die gesamte Schule den Prozess einer „reconstruction“ einzuleiten und zweitens ein didaktisches Instrumentarium in einem exemplarischen Sinn, das überall anwendbar ist, wo die Voraussetzungen gegeben sind. (Vgl. dazu: Röhrs, Hermann; 1998, S. 89.) „Daher soll hier auch der Standpunkt vertreten werden, dass mit dem Dalton-Plan ein bedeutsames Schulmodell vorgelegt wurde, dessen Lebenskraft keineswegs auf die kurze Entwicklungsperiode in den zwanziger und dreißiger Jahren begrenzt zu sein brauchte. Der Dalton-Plan ist vielmehr nicht bloß ein historisches Kapitel der neueren Bildungsgeschichte, sondern er ist auch gegenwärtig in den verschiedenen Schulformen anwendbar, weil er noch heute empfindlich spürbare Schulschäden zu überwinden versucht. Der Dalton-Plan erfordert ein hohes Maß didaktischer Reife und Urteilsfähigkeit, soweit er pädagogisch überzeugend umgesetzt werden soll.“ (Röhrs, Hermann: Die Reformpädagogik; 1998, S. 89.)
Die Grundabsichten ihres Modells, das aus der erwähnten Ausgangssituation in jahrelanger Denkarbeit bis 1913 von Helen Parkhurst entwickelt worden war, beschreibt sie selbst folgendermaßen:
„ … Erneuerungen der Schulprozesse, so dass Kinder sowohl mehr Freiheit als auch einen Lebensraum genießen würden, der besser auf ihre Studien eingerichtet ist …“
„Vor allem wollte ich die persönlichen Schwierigkeiten der Kinder überwinden und die gleiche Entwicklungsmöglichkeit für das langsame und das aufgeweckte Kind schaffen.“ (Parkhurst, Helen; 1926, S. 13.)
Neben der grundsätzlichen Neugestaltung der Schule ist die Individualisierung des Unterrichts die zentrale Aufgabenstellung für Helen Parkhursts Konzept, das Lernen in einem individuellen Rhythmus erlaubt. Daher scheint es (damals) folgerichtig, dass Helen Parkhurst 1914 nach Rom reist, um die Pädagogik der Selbsttätigkeit bei Maria Montessori zu studieren. In diesem Zusammenhang schreibt Hermann Röhrs, dass „erst das Prinzip Maria Montessoris, die selbstständige Lernarbeit durch ein didaktisch vorgeformtes und daher individuell stimulierendes Material zu sichern“, die Methode Helen Parkhursts zu einem pädagogischen Konzept gemacht hat, das das gesamte Schulleben zu durchdringen vermag. „So sind die assignments als didaktische Garanten der freien Arbeitsweise ebenso wie die didaktisch strukturierten Facharbeitsräume erst nach der Auseinandersetzung mit Maria Montessori möglich.“ (Röhrs, Hermann: 1998, S. 90.)
Die Realisierung von Schule aus einem Lebensraum lebendig motivierten Studierens in unmittelbarer Auseinandersetzung mit den Dingen setzt das Zusammenwirken mehrer didaktischer Faktoren voraus, die aber noch kein didaktisches System darstellen:
die die selbsttätige Arbeit erst ermöglichenden assignments ,
die veranschaulichenden und zur selbsttätigen Arbeit anregenden Facharbeitsräume,
die Rolle der Lehrerin als Anregerin und Beraterin und
das Eigenstudium der Schüler.
Im grundlegenden Verständnis des Dalton-Plans nach Helen Parkhurst ist dieser ein offenes System, als way of life ein System zum Nachschaffen, im eigentlichen Wortsinn ein offenes System zur Bildung eines subjektiven didaktischen Konzeptes.
Die Bedeutung des Dalton-Plans für ein didaktisches Konzept
In „Education on the Dalton Plan“ schreibt Helen Parkhurst zum didaktischen Selbstverständnis des Dalton-Planes: „Der Dalton Laboratory Plan ist kein System und keine Methode, die durch jahrelange Anwendung zu einer monotonen und uniformen Form versteinert ist, mit der aufeinander folgende Generationen von Schülern gebrandmarkt werden, so wie man Schafe brandmarkt, wenn sie in den Pferch gehen. Er ist kein Curriculum, das allzu oft einfach die Maschine ist, mit der die Brandmarke den Individuen eingeprägt wird, die in den Schlingen des Systems gefangen sind.
Praktisch gesprochen ist er ein Schema einer Reorganisation der Erziehung, das die Zwillingsaktivitäten Lehren und Lernen vereint. Wird er intelligent angewandt, erzeugt er Bedingungen, die es dem Lehrer, der Lehrerin ermöglichen zu lehren und dem Schüler, der Schülerin ermöglichen zu lernen.
Um das Schema anzuwenden, ist es nicht notwendig oder sogar wünschenswert, weder die Klassen als Organisationseinheiten in der Schule noch das Curriculum als solches abzuschaffen. Der Dalton Laboratory Plan behält beide bei. Jeder Schüler, jede Schülerin wird als Mitglied einer Klasse betrachtet, und für jede Klasse wird ein maximaler und ein minimaler Lehrplan entworfen. Aber vom Anfang an legt er den ganzen Arbeitsvorschlag in der Gestalt eines Vertragspensums vor die Schüler/innen. Der Lehrplan ist in Pensen eingeteilt worden, und der/die Schüler/in akzeptiert die Arbeit die für die Klasse bestimmt ist als einen Vertrag. Obwohl in höheren Klassen darauf verzichtet wird, können jüngere Kinder einen bestimmten Vertrag unterschreiben, der jedem Einzelnen zurückgegeben wird, sobald seine Arbeit erledigt ist: ‚Ich …, Schüler/in der … Klasse, verpflichte mich dazu, das … Pensum zu machen. Datum und Unterschrift …“ (Parkhurst, Helen: 1922. S. 34f.)
Modell des Dalton-Plans
Gegenüber dem Dalton-Plan ist oft der Einwand erhoben worden, dass vor allem die Arbeit an den assignments in den Facharbeitsräumen eine sozial verdünnte Situation erwirke. Dieses Argument hat auch Peter Petersen dazu veranlasst, seinen Jena-Plan einen „Widerpart des Dalton-Plans“ (Petersen, Peter (Hg.); 1934, S. 81.) zu nennen. Helen Parkhurst bezieht gegen diese Kritik klar Stellung. Als erstes Prinzip des Dalton-Planes nennt sie die Freiheit, doch schon als zweites Prinzip betont sie die Interaktion: „Der zweite Grundsatz des Dalton-Plans ist die Kooperation oder, wie ich ihn zu nennen bevorzuge, die Interaktion im Gruppenleben.“ (Parkhurst, Helen; 1926, S. 19.) Sie umschreibt dieses Prinzip mit verschiedenen Wendungen, wie „social experience“, „sense of responsibility“, „socialisation“(Parkhurst, Helen; 1926, S. 19.) und betont an anderer Stelle in ihrem Hauptwerk „Education on the Dalton Plan“: „Diese Sozialisation in der Schule, wie ich sie nenne, ist für den Erfolg des Experiments ebenso wichtig wie die Freisetzung der Kinder.“ (Parkhurst, Helen; 1926, S. 46.) Das Funktionieren dieses Prinzips erfährt auch immer wieder eine Bestätigung durch die Pädagoginnen und Pädagogen, die den Dalton-Plan „schulerneuernd“ und „schulentwickelnd“ in die Praxis umsetzen: C. W. Krimmins und Belle Rennie, die neben A. J. Lynch die Dalton-Plan-Bewegung in England initiiert haben, schreiben: „Die Schule wird – sobald sie nach dem Dalton-Plan organisiert ist – eine soziale Gemeinschaft, die nicht nur auf das Leben vorbereitet, sondern selbst Leben ist.“ (C. W. Krimmins, Belle Rennie: The Triumph of the Dalton-Plan. London o. J., S. 100.) In diesem Werk wird der Dalton-Plan als ein Schulmodell verstanden, dessen entscheidende pädagogische Kriterien die Individualisierung der Schularbeit und soziale Fundierung des Schullebens sind. Auch die Praxis der Dalton-Plan-Schulen in den Niederlanden zeigt die Betonung der Sozialisationsfaktoren in einer modernen Anwendung des Planes Helen Parkhursts.
„Beim alten System spielt die Lehrerin die Hauptrolle. Sie ist, vielleicht unbewusst, mit dem Versuch beschäftigt, ihre Persönlichkeit und Auffassungen auf die Kinder zu übertragen. Aber der Dalton Plan dreht diese Rollen um und gibt der Persönlichkeit des Kindes eine Chance. Die Rolle des Lehrers ist, das sich entfaltende Leben Schritt für Schritt zu begleiten. Das bedeutet nicht, den Lehrer auf eine niedrigere Ebene zu verbannen. Um das Kind zu verstehen und mit seinem Wachstum Schritt zu halten, muss er selber wachsen, denn dieselben fundamentalen Gesetze die das Wachstum regeln sind auch für jede nächste Ebene gültig.
Die wirkliche Aufgabe der Schule ist nicht, den Schüler an vorgefasste Meinungen zu ketten, sondern ihm die Freiheit zu gewähren, seine eigene Meinung zu entdecken und ihm zu helfen, alle seine Kräfte auf das Problem Lernens zu lenken. Ein Pensum, für das er seine ganze Vernunft gebrauchen muss, ist mehr oder weniger eine Herausforderung, auf die er automatisch reagiert. Sogar wenn er im Anfang nicht genau weiß, was er mit seiner Verantwortung tun soll, werden Erfahrung und Freiheit zusammen es ihm bald beibringen. Erfahrung ist der beste und eben der einzige wirkliche Lehrer.“ (Parkhurst, Helen; 1922. S. 151f.)
Ist das Wachstum der Anwendungsrate eines reformpädagogischen Modells ein Gradmesser für dessen Aktualität in der modernen Schulentwicklung, so muss dem Dalton-Plan wahrscheinlich zukünftig noch stärkere Beachtung als Modell der Schulentwicklung und Unterrichtsentwicklung geschenkt werden: In den Niederlanden hat sich die Anzahl der Dalton-Plan-Schulen in den letzten fünf Jahren verdoppelt. Die Stiftung „Dalton“ zählt bereits an die 300 Dalton-Plan-Schulen bei stark wachsender Tendenz.
A way of life – a way of lifelong learning
Für Herrmann Röhrs ist der Dalton-Plan eine Chance, „die Schule so zu erneuern, dass aus der bloßen Lernarbeit ein selbst verantwortetes Studieren wird, dessen Methode in entwicklungsspezifischer Weise einsichtig bleibt“ und stellt ebenso ein „pädagogisches Faszinosum“ dar, das in seinem ganzen Ausmaß überhaupt noch nicht ins Auge gefasst und erprobt wurde. (Röhrs, Hermann; 1998, S. 97.)
Dem Dalton-Plan kommt vor allem für eine pädagogisch fundierte Reform des Sekundarschulwesens eine entscheidende Bedeutung zu: Er ist weniger ein didaktisches System, seine methodische Qualität ist von der professionellen Struktur der Pensen abhängig. Er ist – wie andere „Pläne“ auch – für die jeweilige Schule adaptierbar, er ist selbst entwickelbar. Für engagierte Pädagoginnen und Pädagogen, die sich mit dem Plan Helen Parkhursts auseinandersetzen, wird dieser Plan (selbst)verständlich und wird einsichtig als „a way of life, a way of lifelong learning“.
Zielsetzung
Auf Grund des notwendigen Zusammenwirkens dieser Faktoren spricht Helen Parkhurst in ihrem Dalton-Plan von einer synthetischen Zielsetzung. (Parkhurst, Helen; S. 29.) Diese beschreibt sie in „Education on the Dalton Plan“ sehr differenziert: „Es (das Eigenstudium – Verf.) weckt in dem Kind einen Geist des Selbstvertrauens und der Initiative; dadurch beginnt sofort die Charakterbildung. Das ist Lebenserfahrung für das kleine Kind. Es lernt seiner eigenen Lebenserfahrung entsprechend zusammen mit seinen Mitschülern, die alle das gleiche Abenteuer suchen. Es formt während seines Schullebens die gleichen Beziehungsarten aus, die es später im Geschäfts- oder Berufsleben antreffen wird. Es lernt, indem es versucht (He is learning by trying). “ (Parkhurst, Helen; 1926, S. 33.)
In diesem Kontext wird der Dalton-Plan zu einem Konzept des lebensbegleitenden und lebenslangen Lernens. Zusätzlich kann aus heutiger Sicht darauf verwiesen werden, dass in dem Modell des Dalton-Plans nach Helen Parkhurst die so genannte Kongruenz von Ziel und Methode ein durchgehendes Prinzip zu sein scheint: Helen Parkhurst versucht, die Fähigkeit, die die Kinder erlernen sollen, bereits im Lernprozess anzuwenden – ein lebendiges Beispiel für Lernen lernen.
Lernanleitungen – assignments – Pensen
Soll der Dalton-Plan ein Lernmodell zur Individualisierung des Lernprozesses sein, so hängt das gesamte Modell intensiv von dem Umstand ab, dass die Pensen auch als individuelle Lernaufgaben für ein einzelnes Kind oder für eine Gruppe von Kindern formuliert werden. Ist dies nicht der Fall, so besteht die Gefahr, dass das an sich gut konzipierte Modell des Dalton-Plans bald zu einer simplen Wochenplanarbeit reduziert werden kann und damit sicher nicht mehr den Grundintentionen Helen Parkhursts entspricht. „Es ist nicht zu viel gesagt, dass der Dalton Laboratory Plan vom Pensum abhängt, denn die erfolgreiche Anwendung des neuen Plans ist stark vom Ausmaß an Gewandtheit und Verständnis beim Zusammensetzen des Pensums abhängig. Seine Bedeutung wird richtig eingeschätzt, wenn wir uns in Erinnerung rufen, dass der Schüler nur durch jedes einzelne Pensum einen völligen Überblick über die Arbeit, die von ihm erwartet wird, bekommen kann. Zusammen betrachtet, stellen sie eine Übersicht der Arbeit in allen Unterteilungen dar.“ (Parkhurst, Helen; 1926, S. 57.)
Die Sicherung der kindlichen Arbeit durch die schriftlichen Arbeitsbeschreibungen (Pensen oder assignments) erlaubt es dem Kind – unter beratender Mitwirkung der Lehrerin – in Facharbeitsräumen seinen Interessen und Lernschwerpunkten nachzugehen. Die assignments ermöglichen darüber hinaus ebenso die Abkehr vom klassikalen Organisationsprinzip für die Schule. Die Grundbedingung eines assignments bestimmt Helen Parkhurst wie folgt: „Die erste Bedingung eines guten assignments ist, dass es unmissverständlich geschrieben ist, nicht nur mündlich gegeben wird, dass es klar ausgedrückt ist und durch seine Gestaltung dem Kinde klar macht, wohin es geführt werden soll.“ (Parkhurst, Helen; 1926, S. 58.)
Helen Parkhurst stellt an die Gestaltung von Pensen strenge Anforderungen. Ein Pensum soll völlig ausgeschrieben werden, mündliche Weitergabe genügt nicht, ein „interest pocket“ vorangestellt haben, das den Schüler neugierig macht und seine Motivation anregt, deutlich sagen, was es erfordern wird und welchen Schwierigkeiten der Schüler begegnen kann (Es kann auch die Bemerkung „Mit dem Lehrer sprechen!“ noch dazu kommen.), drei Ebenen von Differenzierung beinhalten:
Niveaudifferenzierung,
Interessendifferenzierung,
Differenzierung nach Umfang und Zeit der Aufgabe und
aus neun Teilen bestehen:
- Preface: Strukturierung der Aufgabe, Unterstützung der Arbeitsplanung und Motivierung des Schülers, der Schülerin; vergleichbar mit den so genannten „advance organizers“ (inhaltsbezogene Organisationshilfen). Anknüpfung an die Alltagserfahrungen und Interessenlagen der Lernenden.
- Topic: Dient der thematischen Orientierung der Schüler/innen.
- Problems: Verzeichnis der Aufgaben, die der/die Schüler/in im gegebenen assignment zu bewältigen hat, gegebenenfalls unterteilt in:
- Written work und
- Memory work.
- Conferences: Hier wird dem Schüler, der Schülerin mitgeteilt, wann Fachunterrichtsstunden zu bestimmten Themen stattfinden.
- References: In dieser Rubrik finden die Schüler/innen die entsprechenden Literaturangaben bzw. Nachschlagewerke oder Fachliteratur.
- Equivalents: Hier soll angegeben werden, wie die Schüler/innen den Fortschritt während der Arbeit am Pensum vermerken können.
- Bulletin Studium: Mitteilungen auf dem Organisationsbrett, die während der Arbeit gemacht werden können und die hilfreich für die Erledigung des Pensums sind.
- Departmental cuts: Mitteilungen, welche Leistungen auch von einem anderen Fach anerkannt werden.
Als Beispiel eines Pensums geben wir hier ein Pensum aus dem Originaltext von Helen Parkhurst wieder:
„KAPITEL VI
BEISPIELE VON PENSEN
Dem Prinzip folgend, dass ein Beispiel besser ist als eine Vorschrift, widme ich dieses Kapitel einer Sammlung von Musterpensen. (…)
Ich möchte die Aufmerksamkeit darauf lenken, dass die Pensen nicht in bestimmte Tagesaufgaben aufgeteilt sind. Würde man das tun, würde man den Schüler seines Interesses und der notwendigen Freiheit, selbst seine Zeit in Übereinstimmung mit seinen Bedürfnissen einzuteilen, berauben.
PENSEN FÜR GESCHICHTE
Pensum 2
(Für die fünfte Klasse, Schüler 9 bis 10 Jahre alt)
Die Perserkriege waren vorüber und die Griechen fürchteten die persischen Angriffe nicht länger. Als die Athener nach Hause kamen, waren ihre Häuser zerstört, denn du wirst dich erinnern, dass die Perser gerade vor der Schlacht bei Salamis Athen niedergebrannt hatten. Die Spartaner gingen mit der Absicht nach Hause, aus ihrer Stadt die größte Griechenlands zu machen. Eigentlich hatte jede Stadt ähnlich große Pläne. Obwohl sie sich zu dieser Zeit alle vereint hatten, um die Perser zu vertreiben, war jede Stadt eifersüchtig auf ihre Nachbarn, und wir werden sehen, welche schwierigen Zeiten die Griechen die nächsten dreihundert Jahre hatten.
1. Woche
Diese Woche lernen wir von einem der größten athenischen Helden, Perikles. Er ist vielleicht der größte von allen großen athenischen Führern.
Aufgabe:
Nachdem du den unten erwähnten Lesestoff durchgearbeitet hast, musst du folgende Fragen beantworten. Schreibe jede Antwort in vollständigen Sätzen!
1. Erzähle die Geschichte, wie die Athener ihre Mauern neuerlich errichteten!
2. Was war Piräus?
3. Beschreibe die Langen Mauern.
4. Welches sind die Namen der drei Arten von Säulen, die für griechische Tempel benutzt wurden?
5. Wie heißen die beiden Gebäude auf der Akropolis?
6. Erzähle, wozu jedes Gebäude benutzt wurde!
7. Beschreibe das Theater von Dionysius!
8. Wer waren die drei großen griechischen Dramendichter?
9. Was ist eine Tragödie? Was ist eine Komödie?
10. Wer war ein Komödiendichter in Athen?
11. Wer waren die beiden Historiker?
12. Welche Änderungen machte Perikles in den Gesetzen von Athen?
Quellen:
Lies in „Old World Hero Stories“ die Geschichte mit dem Titel Perikles!
Äquivalente:
Das Lesen zählt als Arbeit für zwei Tage und das Schreiben als Arbeit für drei Tage.
2. Woche
Wir lernen mehr über das Zeitalter von Perikles in dieser Woche.
Aufgaben:
Es gibt in dieser Woche drei Aufgaben:
1. Zeichne einen Plan der Vorderseite des Parthenon und benenne die verschiedenen Teile!
2. Verfasse eine Beschreibung eines griechischen Hauses! Erzähle, wie ein Haus arrangiert war und vergleiche es mit einem modernen Haus!
3. Erzähle mit einer Geschichte, was die Kinder in Athen taten. Erzähle, wie sie unterrichtet wurden, wie sie spielten etc.!
Quellen:
Das Nachschlagewerk für 1 ist „History of Greek Art“ von Tarbell. Das Nachschlagewerk für 2 und 3 ist „Old World Hero Stories“.
Äquivalente:
Aufgabe 1 zählt als Arbeit für drei Tage und 2 und 3 als Arbeit für einen Tag.
Anschlagbrett lesen:
Betrachte die Bilder des Parthenon und der griechischen Häuser, die auf dem Anschlagbrett sind! Sie könnten dir bei deiner Arbeit helfen.
Fachliche Kürzungen/Überschneidungen:
Miss Billy ist gewillt, dir Arbeit für drei Tage in Kunst für eine Zeichnung des Panthenons anzurechnen.
3. Woche
Nach dem Zeitalter von Perikles hatten die Athener eine harte Zeit. Sie hatten einen Krieg mit den Spartanern, und die Spartaner gewannen. Die Athener waren niemals wieder so glücklich und wohlhabend, wie sie waren, als Perikles ihr Führer war. Fast dreihundert Jahre später erhob sich ein großes Königreich im Norden Griechenlands, das Mazedonien genannt wurde. Der König dieses Reichs wurde Philip genannt und er hatte einen Sohn namens Alexander. Das ist der Mann, über den wir diese Woche lernen werden.
Aufgaben:
AUFGABE 1 – Hier sind ein paar Fragen, die zu Alexander zu beantworten sind. Schreib die Antworten in ganzen Sätzen!
1. Welche Neuigkeiten brachten die drei Boten König Philip von Mazedonien?
2. Erzähle die Geschichte von der Zähmung des Bucephalus!
3. Wer war Alexanders Lehrer und woher kam er?
4. Was entschied Alexander nach Philips Tod zu tun?
5. Wie groß war die Armee, die er hatte?
6. Welche waren seine drei Schlachten?
7. Erzähl die Geschichte vom Gordischen Knoten!
8. Wie viele Städte wurden nach Alexander benannt?
AUFGABE 2 – Die zweite Aufgabe ist es, eine Karte von Alexanders Königreich zu zeichnen. Verwende farbige Malkreiden, um das Territorium, das er eroberte, zu kennzeichnen!
Quellen:
Lies über Alexander in „Old World Hero Stories“ und suche die Karte seines Reichs in „Ancient World“ von West!
Äquivalente:
- 1. Das Lesen ist Arbeit für einen Tag, das Schreiben ist Arbeit für zwei Tage; und das Zeichnen ist Arbeit für zwei Tage.“ (Vollständige Übersetzung von Education on the Daltonplan in: Eichelberger, Harald & Laner, Christian (Hrsg.): Zukunft Reformpädagogik. Neue Kraft für eine moderne Schule. Studienverlag. Innsbruck 2007.)
Beispiel aus einer Schule heute:
Liebe Anja! Wien, am …
In dieser Woche wollen wir an dem Thema: „Unsere Haustiere“ arbeiten.
Du hast uns in der Vorwoche viele lustige Geschichten über deinen kleinen Hund erzählt. In dieser Woche hast du in der Freiarbeit Gelegenheit, auch etwas über andere Haustiere zu erfahren. Du kannst aus verschiedenen Aufgaben wählen solltest aber mindestens 3 erledigen.
Bereich Aufgabe Kontrolle
Schreiben 1 Erfinde eine lustige Tiergeschichte! Lies deine Geschichte im Schlusskreis
vor!
Schreiben 2 Schreibe eine Tiergeschichte zu
einem unserer Tierfotos! Lies deine Geschichte einem anderen
Kind vor!
Rechtschreiben 1 Erarbeite mit der Wörterkartei
das Wort „fressen“! (Laut Leitkarte). Lass dir deine Arbeitswörter von
einem anderen Kind ansagen und
kontrolliere selbst!
Rechtschreiben 2 Suche dein wichtigstes Wort zu dem
Thema im Wörterbuch und lege
damit eine Wörterkarteikarte an! Mach ein Laufdiktat mit den
6 wichtigsten Wörtern aus deiner
Kartei und kontrolliere selbst!
Sachunterricht 1 Suche in unseren Fachbüchern
Informationen zu deinem
Lieblingshaustier und gestalte damit
eine Seite für unser „Haustierbuch“! Zeig deine Seite einem Kind und lass
dir noch gute Tipps zur Weiterarbeit
geben!
Sachunterricht 2 Konferenz: Am Dienstag
um 9 Uhr wird uns ein Tierarzt
über die Haltung von Haustieren
informieren. Mach dir Notizen zu seinem Vortrag!
Sachunterricht 3
Konferenz: Am Freitag um 8 Uhr
besuchen wir die Tierhandlung. Notiere dir die Verkaufspreise von
einigen Tieren, versuche zu erfahren, was dein Lieblingstier im Monat für Haltungskosten erfordert! Berichte im Schlusskreis!
Bildnerische
Erziehung Die Gestaltung der Seite für das „Haustierbuch“ (Sachunterricht 1) zählt auch
für diesen Gegenstand.
Hilfsmittel Sachbücher findest du in
der Schulbibliothek. Wenn du während der Arbeit Fragen
hast, nütze die Planungs- und
Schlussrunden zum Nachfragen!
Ein weiterer wichtiger Vorteil für die individuelle Arbeit ergibt sich fast zwangsläufig aus dem Überblick über die gesamte Aufgabenstellung, der erst durch die Verschriftlichung der Aufgabenstellung möglich wird. Dadurch kann jedem Kind die seinem Leistungsstand entsprechende Arbeitsweise und sein Arbeitstempo gewährt werden. Auch „das langsamere Kind kann sich auf die wichtigsten Fragen eines Gegenstandes beschränken und an ihnen arbeiten, bis es sie durch und durch beherrscht.“ (Dewey, Evelyn; 1922, S. 8.) Die motivationale Wirkung der assignments wird noch sinnvoll ergänzt durch die didaktisch kluge Ausstattung der Facharbeitsräume. Die Kombination der assignments und der Facharbeitsräume lässt den Eindruck einer „Kinder-Universität“ durchaus als gerechtfertigt erscheinen. Formen der Selbstkontrolle und der Selbstprüfung gehören wesenhaft zu einer selbständigen und selbsttätigen Arbeit der Kinder in der Schule.
Bezüglich der Dokumentation der Arbeiten der Schülerinnen und Schüler lassen wir Helen Parkhurst in unserer Übersetzung zu Wort kommen:
„KAPITEL VII
DIE GRAFISCHE METHODE UM FORTSCHRITTE ZU VERMERKEN
Als wir mit dem Dalton Laboratory Plan anfingen, bekamen die Schüler ein Tagebuch, worin sie das Arbeitspensum, das die sie in jedem Schulfach geleistet hatten, aufschreiben sollten, bevor sie den Fachlernraum verließen. Aber diese Methode, die nicht nur viel zusätzliches Lesen für den Lehrer bedeutete, erwies sich bald als nicht adäquat für dieses Ziel. Zur selben Zeit wurde es deutlich, dass irgendeine Norm für Zeit und Arbeit essenziell war. Oft waren Schüler, die tüchtig gearbeitet hatten, erstaunt, als sie erkannten, dass sie am Ende der Woche mit ihrem Pensum ungenügend vorwärts gekommen waren. Ohne Kontrolle, die ihnen genau zeigte, was sie getan hatten, waren sie, wie sich für uns herausstellte, geneigt, zu viel Zeit auf ein Lieblingsfach zu verwenden und zu wenig auf die andern. Sie schweiften oft vom Pensum ab und sogar von den darin genannten Themen. Die zuerkannte Zeit wurde ohne jedes echte Gefühl der Verantwortung verwendet. Verständnis für das, was Verantwortung bedeutete, fehlte völlig. Solange die Zeit nicht bewusst vertrödelt wurde, verstanden Schüler damals nicht, dass die richtige Einteilung ihrer Zeit wesentlich war, um die Zeit gut und auf richtige Weise zu verwenden. Sie waren wie Leute, die glaubten, dass man ihnen die begangenen Beurteilungsfehler verzeihen sollte, weil sie gute Absichten hatten. Sie machten keine Schätzungen der Zeit, sie vergeudeten diese nur.
Ich habe von meinen frühen Experimenten schon erzählt, als mir die Methode, Fortschritte grafisch festzulegen, zum ersten Mal in den Sinn kam. Es wurde sehr bald klar, dass diese wesentlich besser als die Tagebuchmethode war und seitdem wurde sie ein integraler Teil des Dalton Plans. Diese Methode hilft dem Schüler nicht nur, seine Zeit vernünftig einzuteilen, sondern diese auch der Erfüllung seiner Aufgabe anzupassen. Der Kontrakt zeigte sich klar als eine richtige Einheit und gab ein Gefühl der Verantwortung, ohne den Schüler anzutreiben. Aber die Tabelle hat noch mehr getan. Sie hat die Aufgabe des Lehrers erleichtert und die Arbeit in den Fachlernräumen und die allgemeine Schulorganisation vereinfacht.
Es gibt drei Arten von „graphs“ (Diagramme oder Tabellen). Die Erste ist die Lehrer Fachlernraum-Tabelle („Instructor’s Laboratory Graph“), die im Fachlernraum aufbewahrt bleibt, unter der Obhut des Fachlehrers. Diese Tabellen sind in fünf oder mehr Farben gedruckt worden, eine für jede unterschiedliche Klasse. (…)
Tabelle I nimmt an, dass es 35 Schüler in der Klasse gibt. Ich habe einige Namen ausgefüllt, um deutlich die Methode wie Fortschritte vermerkt werden zu zeigen. Mary, Clara, Dorothy und Helen sind, nehmen wir an, mit der Arbeit für die erste Woche ihres Monatspensums fertig. Jedes Mädchen zieht darum eine Linie ihrem Namen gegenüber durch die fünf Spalten der Tabelle, um die verrichtete Arbeit zu zeigen. Diese fünf Spalten stehen für fünf Tage Arbeit. Frances, die nur zwei Fünftel von der Wochenarbeit geleistet hat, zieht ihre Linie durch zwei von den fünf Spalten. Mildred und Anne machen es auf dieselbe Weise mit ihren drei Fünfteln. Die „equivalents“ im Pensum zeigen ihnen, wie sie ihre Arbeit berechnen.
Bei dieser Methode kann der Lehrer mit einem Blick genau sehen, welchen Fortschritt jeder Schüler in jedem Fach gemacht hat und wenn er die Tabelle in den andern Fachlernräumen betrachtet, kann er seinem Fortschritt in allen Fächern seines Pensums nachgehen. Die Tabelle zeigt auch, welche Fächer das Kind am interessantesten findet und wie weit das Pensum die Entwicklung der ganzen Klasse beeinflusst.“
(Vollständige Übersetzung von Education on the Daltonplan in: Eichelberger, Harald & Laner, Christian (Hrsg.): Zukunft Reformpädagogik. Neue Kraft für eine moderne Schule. Studienverlag. Innsbruck 2007.)
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Eichelberger, H.; Laner, C.; Zukunft Reformpädagogik. Innsbruck 2007.
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