PDF

Stellen sie sich einfach vor, sie sind Besucher an „unserer – neu gedachten“ Schule, und ich führe sie nun durch diese Schule und erkläre ihnen auch alles, was sie so von einer Schule eben wissen wollen. Zuallererst möchte ich ihnen gerne erklären, dass…

Harald Eichelberger

Eine (Schul-) Führung

„Nichts ist im Verstand, was nicht zuvor in den Sinnen war.“[1]

 

Stellen sie sich einfach vor, sie sind Besucher an „unserer – neu gedachten“ Schule, und ich führe sie nun durch diese Schule und erkläre ihnen auch alles, was sie so von einer Schule eben wissen wollen.

Zuallererst möchte ich ihnen gerne erklären, dass unsere Schule eine Regelschule ist. Dies bedeutet,

  • dass alle Kinder, die in unserer Schule Aufnahme finden wollen, auch aufgenommen werden. Wir achten sehr auf das Recht der Eltern und Schüler, ihre Schule wählen zu können. Eine einzige Ausnahme besteht bei der Freiheit der Schulwahl. Wir nehmen mindestens 50% Prozent der Kinder aus der näheren Umgebung, aus dem so genannten Schulsprengel, auf. Das ist eine Bedingung, die das Lehrerkollegium gestellt hat, um die Zugangschancen aller Kinder zu unserer Schule zu gewährleisten und möglichst eine Mischung der Kinder nach dem „Normalprinzip“ erreichen zu können.
  • Unsere Schule wird nach dem staatlichen Lehrplan geführt. Allerdings existiert ein schuleigenes Curriculum, das nicht nur die inhaltlichen Spezifika unserer Schule eingehend beschreibt, sondern ebenso auf die notwendig adäquate Schulorganisation, die didaktischen Richtlinien und auch die spezifischen Methoden der Schule eingeht. In diesem schuleigenen Curriculum finden alle Interessierten ebenso die Erziehungsziele und Bildungsziele unserer Schule, so dass Eltern von vorne herein eine Möglichkeit haben, sich zu entscheiden, ob sie sich mit den Zielen und Methoden der Schule identifizieren können oder lieber eine andere Schule für ihr Kind wählen möchten. Es ist letztlich keine Problem, ein schuleigenes Standardcurriculum aus dem staatlichen Rahmenlehrplan oder dem zukünftigen Kerncurriculum zu formulieren. Die Erstellung des schuleigenen Curriculums war für unsere eigene Arbeit und für unsere pädagogische Orientierung von großer Bedeutung.
  • Die Schule untersteht selbstverständlich der Schulaufsicht durch die Schulbehörde und hat das Öffentlichkeitsrecht. Ich erwähne diesen Punkt deshalb immer extra, weil Eltern gerne fragen, ob ihre Kinder beim Besuch dieser Schule externe Prüfungen ablegen müssen. Das ist nicht der Fall.
  • Unsere Schule wird zurzeit von ca. 250 Schülern besucht, und es unterrichten an ihr mehr als 40 Lehrerinnen und Lehrer. Alle Lehrer sind Landeslehrer und werden daher auch vom Land bezahlt. Die erwähnte Schulgröße lässt eine gute Schulorganisation zu und ist aus der Sicht ökonomischer Kriterien fast eine Idealgröße.

Bevor ich sie durch die Schule führe, sollte ich ihnen vielleicht doch noch die Besonderheiten unserer Schule erzählen:

Nun, einer der wichtigsten Punkte in der Entwicklungsgeschichte dieser Schule dürfte der sein, dass es den Lehrern, den Eltern und auch der damaligen Schulleitung gelungen ist, die Autonomie einer Schule zu erweitern und zu entwickeln. Das ist zwar ein Widerspruch in sich, denn Autonomie kann man nicht erweitern, man ist autonom oder nicht, aber wir haben an dieser Schule und für diese Schule immer mehr Selbständigkeit und Freiheit zur Schulentwicklung und eigenständiger Schulorganisation beansprucht. Der Weg unserer Entwicklung führt demnach von der „Methodenfreiheit“ zur „Schulfreiheit“. Und Schulfreiheit bedeutet für unsere Schule, dass wir nicht nur den Unterricht in autonomer Weise gestalten können, sondern unsere Schule nach den von uns gewählten didaktischen Prinzipien organisieren und gestalten können. Diese Schulfreiheit manifestiert sich in folgenden Punkten:

  • Schulorganisation
  • demokratische Struktur der Schule
  • Kooperation mit anderen Institutionen unter einem Dach
  • Eigenständigkeit des pädagogischen Modells
  • Eigenständigkeit des Beurteilungssystems
  • Internationalisierung
  • Lebendige Schulentwicklung und Evaluation

Die Punkte sind schwer zu trennen. Ich beginne mit der „demokratischen“ Struktur der Schule.

Demokratische Struktur

In der Entwicklung der Schule war es allen Beteiligten ein Anliegen zu den pädagogischen Prinzipien der Selbstbestimmung, der Selbstbildung und der Selbsttätigkeit, eine Struktur des Zusammenlebens und Zusammenarbeitens zu finden, die nicht im Widerspruch zu den genannten Prinzipien steht. Weiters sind wir alle von der unabdingbaren Voraussetzung ausgegangen, dass Schule die Aufgabe hat, demokratisches Leben erleben zu lassen, mit allen Schwierigkeiten, Problemen, aber auch als übergeordneten Wert der Bildung. Aus diesem Grund haben wir uns entschieden, nicht nur von Demokratie zu reden, sondern sie basisdemokratisch in unserer Schule zu leben. Wichtigstes demokratisches Forum der Schule ist die so genannte Schulkonferenz. In der Schulkonferenz sind alle Lehrerinnen und Lehrer vertreten, die jeweilige, auf Zeit bestellt Vertretung der Schule – wir nennen diese Vertretung absichtlich nicht Schulleitung -, die Schülervertreter und die Elternvertreter. Die Schülervertreter werden im Schülerparlament gewählt, einer ständigen Einrichtung der Schule, die in regelmäßigen Abständen zusammentritt.

Da wir keine festen Klassen an der Schule haben, werden die Mitglieder des Schülerparlaments in einer Vollversammlung gewählt. Es können Vertreter von Interessensgruppen, die sich frei bilden, oder auch von in der Schulorganisation verankerten Stammgruppen gewählt werden. Sie können sich vorstellen, dass alleine schon die Diskussion, wer denn eigentlich in das Schülerparlament hineinkommen kann und warum, eine Diskussion von ganz hohem demokratiepolitischen Wert ist. Was aber noch wichtiger ist: Unsere demokratische Struktur ist lebendig, sie ist veränderbar. Das ist zwar sehr mühsam, aber konsequent und wertvoll. Die Vertreter der Eltern werden ebenso in einer Vollversammlung gewählt. In der Schulkonferenz haben dann alle Mitglieder der Schulkonferenz das gleiche Stimmrecht. Es mag paradox klingen, aber es gibt für die Erziehung zur Demokratie noch etwas Wichtigeres als ein Stimmrecht innezuhaben. Dies ist die Möglichkeit, demokratische Strukturen verändern zu können und sie für die an einem demokratischen Prozess beteiligten gerecht gestalten zu können. In diesem Sinne ist das Erleben eines verantwortungsvollen Umgangs mit demokratischer Macht und die Reflexion darüber eine unabdingbare pädagogische Bedingung.

In der Schulkonferenz werden alle für die schulische Arbeit notwendigen Beschlüsse gefasst. Leiter der Schulkonferenz sind der jeweilige Schulvertreter und dessen Stellvertreter. Wie sie sehen, gibt es keinen vom Schulerhalter oder von der Gemeinde oder den politischen Parteien bestellten Schulleiter mehr. Der Schulvertreter wird für zwei Jahre gewählt und kann sich nach seiner Vertretungsperiode der Wiederwahl stellen.

Eigenständigkeit eines pädagogischen Modells

Das Interesse an pädagogischen Modellen, die eine möglichst optimale Entwicklung des Individuums in einer bestehenden Gemeinschaft zum Ziel haben und eine geeignete Ergänzung zu unserem Unterrichtskonzept, das ja schon vorhanden war, darstellen, war der eigentlich Ausgangspunkt unserer Schulentwicklung. Es ist aber nicht möglich, ohne tief greifende Erfahrung einfach festzulegen, was ich an Elementen oder Prinzipien aus den dafür in Frage kommenden pädagogischen Modellen „herausnehmen“ kann. Es bedurfte einer guten Ausbildung in den reformpädagogischen Modellen der Montessori-Pädagogik, der Freinet-Pädagogik, der Jenaplan-Pädagogik und auch der Daltonplan-Pädagogik. Erst nach intensivem Studium, etlichen Hospitationen, entsprechendem Erfahrungsaustausch mit Schulen, die eine ähnliche Schulentwicklung ausprobiert haben und langer eigener pädagogischer Erfahrung ist es möglich, an die Entwicklung eines eigenständigen pädagogischen Modells heranzugehen. Heutzutage würde man sagen, dass eine der wesentlichen Schwierigkeiten bei der Entwicklung eines „reformpädagogischen“ Schulmodells in der „Kompatibilität“ liegt und damit in der Frage, was zusammen passt und was nicht und auch darin, die Klarheit eines pädagogischen Zieles nicht zu verlieren. Spezifika der einzelnen Richtungen zeigen sich dann auch klar in der Schulorganisation.

Schulorganisation

Von Maria Montessoris Idee eines Kinderhauses ausgehend, ist unsere Schule nicht nur eine Schule, sondern eine Institution, die Kindergarten und Schule verbindet, eben ein Haus der Kinder. Kinder können ab dem vollendeten dritten Lebensjahr in die so genannte Kindergartengruppe eintreten. Das ist auch während des Jahres möglich. Der Kindergarten ist grundsätzlich nach den Prinzipien der Montessori-Pädagogik aufgebaut und eingerichtet. Notwendige Ergänzungen, wie z.B. im künstlerischen oder rhythmischen Bereich sind integriert worden.

In der Kindergartengruppe finden sie Kinder im Alter von ca. 3 – 5 Jahren. Da Kindergarten und „Schule“ unter einem Dach sind, bestimmen zu aller erst einmal die Kinder, wann sie denn in die „Schule“ gehen möchten. Der Übergang kann für die Kinder variabel und fließend gestaltet werden. Das bedeutet, dass Kinder, die in die „Schule“ gehen möchten, auch wieder in den Kindergarten zurückkehren können und sich vielleicht nach einiger einen neuen Anlauf in die Schule nehmen können, bis sie dann in der ersten „Schulgruppe“ heimisch geworden sind. Die erste Schulgruppe sind die 5 – 7jährigen Kinder. Das bedeutet, dass Kinder so ab dem 5. Lebensjahr „in die Schule gehen“ können, mit Abschluss des 7. Lebensjahres der Schulbesuch obligat wird. Selbstverständlich wird der Übertritt intensiv pädagogisch begleitet, von Eltern und den Pädagogen.

Aus der Gruppeneinteilung wird auch sichtbar, dass die Stammgruppen unserer Schule nach dem Prinzip der Altersheterogenität aufgebaut sind. Wir dürfen von folgender ungefährer Einteilung ausgehen:

3 – 5jährige Kinder – Kindergarten

5 – 7jährige Kinder – erste Schulgruppe

7/8 – 9/10jährige Kinder – Mittelgruppe

9/10 – 12jährige Kinder – Obergruppe

Es sind dies Stammgruppen, wie sie auch Peter Petersen in seinem Jenaplan vorgeschlagen hat. Das Prinzip der Altersheterogenität finden wir in fast allen reformpädagogischen Richtungen verwirklicht. Diese Einteilung in Stammgruppen bedingt auch, dass wir die Verweildauer des einzelnen Schülers an unserer Schule nicht mehr nach Schuljahren, sondern nach „Lernjahren“ rechnen. Der tiefer gehende pädagogische Wert dieser Maßnahme liegt auch darin begründet, dass sich das Lernangebot, das ein Schüler an unserer Schule erhält nach seinem individuellen Lernfortschritt und seiner Begabung richten muss und nicht nach einem nach Schuljahren festgelegten Lehrplan.

Unsere Schule ist eine Ganztagsschule. Unsere Schule ist ab sieben Uhr morgens für die Kinder geöffnet, die schon kommen wollen und für die, die eben aus irgendwelchen Gründen kommen müssen. Der gemeinsame Unterricht beginnt allerdings um 8,30 Uhr. Der gemeinsame Schultag dauert bis 16 Uhr. Kinder können freiwillig noch bis 17 Uhr verbleiben. Mittagspause dauert mehr als eine Stunde. Selbstverständlich können die Kinder in der Schule auch Mittagessen bekommen, wenn sie dies wünschen.

Wie sie schon bemerkt haben, gibt es an unserer Schule keine Einteilung in Jahrgangsklassen mehr, und es gibt auch keinen Stundenplan. Nach den Ideen von Peter Petersen haben wir den Tagesablauf rhythmisiert. Hier orientieren wir uns auch an den Bildungsgrundformen, die da heißen Arbeit, Gespräch, Spiel und Feier. So beginnen die meisten Tage mit einem Gespräch oder mit einer Feier, werden fortgesetzt mit einer Phase der Arbeit, die wiederum von einer anderen Arbeitsphase oder einer Spielphase abgelöst werden. Der Rhythmus unterscheidet sich von Stammgruppe zu Stammgruppe. Die Rhythmisierung bietet vor allem für die Kinder einen wichtigen Lern- und Lebensrhythmus für sein Schulleben.

In unserer Schule werden Arbeitsphasen vor allem bei jüngeren Kindern als Freiarbeitsphasen nach den Prinzipien der Montessori-Pädagogik gestaltet, und auch die vorbereitete Umgebung entspricht diesem Vorhaben und den Sensibilitäten der Kinder. Neben den Freiarbeitsphasen gibt es auch den gemeinsamen Unterricht. Dieser kann nach Absprache in den Lehrerkonferenzen auch als „Niveauunterricht“, der nach Leistung differenziert – zumindest zeitweise – abgehalten werden. Prinzipiell gilt aber für jeden Unterricht die Aufforderung Peter Petersens, eine „pädagogische Situation“ herzustellen, eine Situation, in der Kinder, von dem, was sie lernen sollen, auch innerlich berührt werden. Gemeinsame Projekte haben demnach immer einen Bezug zur Lebenswirklichkeit unserer Schüler. In manchen Gruppenräumen werden sie auch Ateliers finden. Célestin Freinets Pädagogik ist den Intentionen mancher Kolleginnen oder Kollegen nach, in manchen Gruppen integriert. In der Einrichtung des Schülerparlaments ist uns die Pädagogik Célestin Freinets eine willkommene Grundlage, wie auch in der freien Meinungsäußerung und den Veröffentlichungen, die es an unserer Schule gibt.

Wir haben die Erfahrung gemacht, dass mit dem zunehmenden Alter der Kinder, sich auch die Bedürfnisse für die so genannte Freiarbeit ändern. Aus diesem Grund arbeiten ältere Kinder an unserer Schule in speziell eingerichteten Räumen. Sie könnten diese Räume eine „Lernlandschaft“ nennen oder auch eine pädagogische Werkstätte. Es gibt einen Raum, der als Arbeitsbibliothek, einen anderen, der für naturwissenschaftliche Studien, einen, der als Werkstätte eingerichtet ist usw. Wir haben uns entschieden, den älteren Kindern individuelle Lernaufgaben zu geben, die in einen gewissen Zeitrahmen eingebettet sind. Helen Parkhurst hat diese Lernaufgaben auch als „assignments“ mit klar definierter Struktur beschrieben. Diese Lernaufgaben beinhalten auch ein klar definiertes Lernziel für den Schüler und mögliche Wege, dieses zu erreichen. Die Evaluation oder Bewertung der Erreichung des Zieles wird gemeinsam vorgenommen, so dass Schüler auch lernen, ihre eigene Arbeit zu beurteilen.

Kooperation mit anderen Institutionen unter einem Dach

Der Versuch der Kooperation mit Bildungsinstitutionen ist eine Reaktion auf die strenge – auch gesetzliche – Trennung von Erziehungs- und Bildungseinrichtungen in Österreich. Wir versuchen in der Zusammenarbeit mit dem Kindergarten unter einem Dach, eine pädagogische Einheit von Kindergarten und Schule zu verwirklichen. Das pädagogische Konzept entstammt der Montessori-Pädagogik, und wir können heute sagen, dass sich diese Zusammenarbeit sowohl für die Kinder als auch für das Bewusstsein der Pädagogen bewährt hat. Aufgrund dieser Erfahrungen appellieren wir, auch die institutionelle Trennung in den Ausbildungen aufzuheben und Kindergarten- und Schulpädagoginnen und -pädagogen auch unter einem Dach nach einem einheitlichen pädagogischen Konzept und auch gleichwertig auszubilden.

Wir haben auch vor, einen weiteren Schritt in der institutionellen Integration zu gehen und ebenso eine Sekundarstufe I an unser Kinderhaus anzuschließen. Wir erwarten uns davon vor allem pädagogische Kontinuität und den Wegfall eine Nahtstellenproblematik, dadurch weniger Stress und intensivere Entwicklungsmöglichkeiten für unsere Schüler.

Eigenständigkeit des Beurteilungssystems

Wir haben auch schon eigene Beurteilungssysteme entwickelt, sind aber immer wieder zu Formen der direkten und kommentierten Leistungsvorlage nach R. Vierlinger zurückgekehrt. Dabei stellt ein Schüler nach einem bestimmten Zeitraum, in der Regel ein Semester, seine geleisteten und gesammelten Arbeiten vor. Er hat seine Arbeiten zu sammeln, aufzubereiten, zu präsentieren und auch zu reflektieren. Die Arbeiten werden kann von den Schülern und dem Lehrer kommentiert und auch gemeinsam beurteilt. Hier bekommt jeder Schüler eine genaue Rückmeldung und eine wichtige Perspektive des Weiterlernens. Bei jedem Beurteilungssystem sind immer zwei Prinzipien zu berücksichtigen: Der Schüler muss aus der Beurteilung etwas lernen können und diese muss eine Selbstbeurteilung und Aspekte des Weiterlernens beinhalten. Neben der Forderung eines der Beurteilung immanenten Lerneffektes muss die Beurteilung auch immer eine Vergleichbarkeit mit Beurteilungen anderer Schulen beinhalten und Auskunft über den Lernstandard des allgemein gültigen Curriculums geben. Übertritte in eine andere Schule müssen durch die schuleigene Beurteilung immer gewährleistet sein können, d.h. das schuleigene Beurteilungssystem muss auch in ein Ziffernnotensystem übersetzbar sein.

Internationalisierung

Die Internationalisierung ist zugegebenermaßen ein Projekt der Zukunft. Wir werden versuchen, dass unsere Schüler im Rahmen der geeigneten Lernprojekte auch einen Aufenthalt im europäischen Ausland absolvieren können. Dazu werden wir auch Korrespondenzklassen einrichten. Einige niederländische Schulen haben uns auf diese Ideen gebracht, die wir gerne verwirklichen würden. Somit können wir auch einen wichtigen Beitrag zur Bildung eines europäischen Bewusstseins leisten.

Lebendige Schulentwicklung und Evaluation

Unsere Schule ist ein integrative Schule und auch eine interkulturelle Schule. Die reformpädagogische Struktur unseres Unterrichtes ermöglicht die für einen integrativen Unterricht notwendige Individualisierung. Wir verwirklichen an unserer Schule weitestgehend das Prinzip der Integration aller behinderten Kinder. Für die spezielle Förderung der Kinder mit Förderbedarf stehen auch die entsprechenden Sonderschullehrer zur Verfügung. Auch hier plädieren wir dafür, dass alle Lehrerinnen und Lehrer während ihrer Ausbildung auch eine sonderpädagogische Ausbildung bekommen müssen. Die Integration beginnt eigentlich in der Lehrerbildung. Nach langen Diskussionen wurde an unserer Schule auch schon eine Schülergruppe nach dem Prinzip der Kooperation geführt. Hier fand die Integration nicht innerhalb einer Lerngruppe, sondern „nur“ unter „einem Dach“ statt. In der Regel versuchen wir aber, alle Kinder so weit wie möglich zu integrieren.

Schulentwicklung

Was uns auf unserem Weg zu der Schule, wie sie heute ist, in Österreich gefehlt hat, war die Unterstützung von professionellen Schulentwicklern. Lebendige Schulentwicklung braucht Experten für pädagogische Modelle, Supervisoren und Spezialisten für die Entwicklung von Institutionen. Unsere Inspektoren können aufgrund ihrer Mankos in diesen Bereichen diese Arbeit der Unterstützung einer Entwicklung nicht leisten. Sie sind in den meisten Fällen auch gar nicht dazu ausgebildet und der Schulbehörde in einem Maße verpflichtet, dass ihnen für die Tätigkeit der Schulentwicklung auch die intellektuelle Freiheit fehlt. In diesem Zusammenhang fordern wir dringend eine von der Schulbehörde unabhängige Einrichtung zur Schulforschung und Schulentwicklung, die die Lehrer in Lehrplanfragen, methodischen Fragen, organisatorischen Fragen und dgl. mehr unterstützen kann. Wiederum unabhängig davon sollte ein Institut für die Evaluation schulischer Arbeit eingerichtet werden. Mit den Ergebnissen der Evaluation kann im Zuge der aktuellen Schulentwicklung eine Professionalisierung der pädagogischen Arbeit angestrebt werden.

Für eine aktuelle Frage bedürfen wir dringend der Unterstützung eines professionellen Institutes für Schulentwicklung. Es ist dies die Frage der Gestaltung des jetzt noch so genannten Religionsunterrichtes. Wir möchten, dass alle Kinder über die staatlich anerkannten Religionen unterrichtet werden, wie auch über Moral, Ethik und Philosophie. Wir möchten diesen Unterricht Lebens- und Weltorientierung nennen, brauchen einen entsprechenden Lehrplan und auch entsprechend ausgebildete Lehrer. Wir gehen von der Grundlage aus, dass jeder Mensch das Recht hat, über die Weltreligionen unterrichtet zu werden, damit er sich in dieser zentralen Lebensfrage nach seinem freien Willen entscheiden kann. Wir wollen dieses Fach, weil wir Religion so wichtig erachten. Wir sind aber auch gerne bereit, den staatlich anerkannten Religionsgemeinschaften für ihren speziellen Unterricht außerhalb der Unterrichtszeit unsere Schule zu öffnen.

Was uns während unserer Entwicklungsarbeit noch zusätzlich Schwierigkeiten bereitet hat, war das fehlende Bewusstsein vieler Menschen in Österreich, dass Schule auch anders sein kann, dass es verschiedene Schulmodelle gibt und dass eine Schule von den Beteiligten entwickelt werden kann. Dieses fehlende Bewusstsein korreliert eng mit einem typisch österreichischen Bildungsmanko, dass es überhaupt andere Bildungs- und Schulmodelle gibt, als die, die wir schon in der eigenen Schule erlebt haben.

Übrigens: Unsere Schule hat einen Namen. Auch damit ist sie eine Ausnahme innerhalb der vielen namenlosen Schulen in Österreich. Zur Erinnerung an eine der Personen, die Schule schon vor langer Zeit „neu gedacht“ haben, heißt unsere Schule „Emma-Plank-Schule“. Emma Plank hat übrigens in einem Kinderhaus unterrichtet, das nach den Anforderungen der Montessori-Pädagogik erbaut worden ist.

Auch wir wüschen uns als nächstes Projekt in unsere Schule deren Gestaltung nach den Kriterien unserer Pädagogik:

Schule ist in unserer Vorstellung keine fertige und unveränderbare Umgebung (sei sie im Urteil der Erwachsenen auch noch so perfekt und kindgemäß). Kinder brauchen auch Räume abseits pädagogischer Definition („Hier sollst Du, hier kannst du…“) und auch nicht verplanten, nicht konzipierten Raum. Kinder müssen auch gegen die allzu fertige Welt kämpfen können, um sich darin Raum für die eigene Tat schaffen zu können.[2]

 

Conclusio

Realizing too, that the will can be strengthened only by voluntary activity he sees the importance of liberty in the schoolroom; and that this freedom „can only come by self-activity“.

E. M. Standing

 

Bleibt noch die Frage, ob die Menschen, die diese Schulerneuerung tragen könnten, auch bereit sind, die vorgeschlagenen Innovationen anzugehen. Es ist eine Schulerneuerung, die Eltern, Lehrerinnen und Lehrer und Kinder gemeinsam durchführen können, ihrer freien Entscheidung nach, und wenn sie bereit sind, sich für die Freiheit, die dazu notwendig ist, auch zu engagieren und sich einzusetzen.

Ein erster Schritt, der innerlich wahrscheinlich gar nicht so leicht mit zu vollziehen ist, besteht in der Akzeptanz der vorgeschlagenen „Reform leitenden“ Ideen, die uns eine Grundorientierung für die demokratische Erneuerung des österreichischen Schulwesens geben:

Schule gehört vor allem in die Verantwortung derer, die Schule auch machen. In die Verantwortung der Lehrerinnen und Lehrer, der Eltern und nicht zuletzt der Kinder. An ihnen ist es, ihre eigene Schule zu gestalten, nach ihren Vorstellungen, nach ihrer Pädagogik und in einem demokratischen und gleichberechtigten Prozess. Die respektvolle und akzeptierende Integration der Kinder in die Bereiche des Schullebens ist die Erziehungsatmosphäre, die sie zu moralisch verantwortungsvoll denkenden und fühlenden Menschen heranwachsen lassen wird (nicht das Wissen, das wir versuchen in unsere Kinder hineinzustopfen).

Die Erziehung zur Demokratie kann nur in einer demokratisch geordneten Gemeinschaft erfolgen. Die Erziehung zur Demokratie in einer hierarchischen, autoritär ausgerichteten Struktur ist mit einer Alibiaktion vergleichbar. Elternforum und Schülermitspracherechte sind zu wenig. Sie täuschen demokratische Strukturen vor, die in ihrer Effektivität gar nicht vorhanden sind. In diesem Sinne sind diese beiden Einrichtungen für eine Demokratisierung der Schule sogar kontraproduktiv. Der bekannte österreichische Ausspruch: „Ach, das haben wir doch schon alles!“ heißt in Wirklichkeit: „Bis hierher, und nicht weiter!“

Weitere entscheidende Voraussetzungen für die Demokratisierung der Schule sind die radikale Dezentralisierung der Schule, ihre weitest gehende Abkoppelung von einer politisch orientierten Schulbehörde und die autonome Gestaltung jeder einzelnen Schule. Erst dann werden auch die Voraussetzungen für eine pädagogische Gestaltung der Schule und des Schulwesens vorhanden sein, und erst dann wird Schule auch ihre gesellschafts- bildende Kraft entfalten können. Der Mut zur Demokratisierung der Schule ist damit auch der Mut zu einer demokratischen Weiterentwicklung unserer Gesellschaft. Gehen wir diesen Weg!

Sollten Sie das Buch bis hierher gelesen haben, so haben Sie sicher schon begonnen, den Weg von Schulerneuerung und Schulentwicklung nach Ihren eigenen Vorstellungen zu gehen. Ein Freinet-Pädagoge hat einmal gesagt, man muss dabei – gemeint war die Veränderung von Schule – immer einen Fuß auf dem Boden behalten, sonst…

Damit unsere Vorstellungen und Initiativen nicht versiegen, ist die Lehrerbildung abschließend nochmals aufgefordert, sich dem Thema der Schulerneuerung und Schulentwicklung in der Art und Weise anzunehmen, dass sie selbst zum Vorbild einer pädagogischen Schulgestaltung wird. Die Lehrerbildung hat die Kraft der Schulveränderung und der Schulerneuerung und wird sich in dieser Rolle auch mehr und mehr verstehen müssen – als gemeinsame Lehrerbildung für alle Lehrer.

Ich gehe nicht davon aus, dass jeder mit allem, was hier geschrieben worden ist, einverstanden sind. Ich aber wünsche mir, die intensive und lang dauernde Diskussion und eine Schule, die dann den Kinder, den Lehrern und Eltern gehört.

 

 



[1]             Der Ausspruch wird u. a. Aristoteles (De anima), Thomas von Aquin (De verit. II, 3) und John Locke zugeschrieben. http://de.wikipedia.org/wiki/Lateinische_Sprichw%C3%B6rter#N [26.10.2007]

[2]             Diese Anregungen verdanke ich auch den Arbeiten Fritz Pflügelmeiers, ehem. Student an der Pädagogischen Akademie des Bundes in Wien.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert