Mario Montessori schreibt, dass ihre Entwicklung der Kosmischen Erziehung aus dieser ungewöhnlichen Fähigkeit erwuchs, Gegenwart und Vergangenheit durch imaginatives Denken zu verknüpfen. Wie sie selbst darlegte, (ist) die imaginative Sicht von der bloßen Wahrnehmung eines Gegenstandes gänzlich verschieden, denn sie hat keine Grenzen. Die Imagination kann nicht nur unendlich Räume durchmessen, sondern auch unendliche Zeitspannen; wir können die Epochen nach rückwärts verfolgen und eine Vision der Erde haben, wie sie damals war, mitsamt den Geschöpfen, die sie damals bewohnten. Um zu erfahren, ob ein Kind etwas verstanden hat oder nicht, sollten wir zu ermitteln versuchen, ob es sich eine geistige Vorstellung davon bilden kann, ob es über die Ebene des bloßen Verstehens hinausgegangen ist … Das Geheimnis eines guten Unterrichts ist es, die Intelligenz des Kindes als eine fruchtbares Feld anzusehen, auf dem Saat ausgestreut werden kann, um in der Wärme der feurigen Imagination zu keimen. (Montessori, Maria, To Educate the Human Potential. Adyar, Indien: Kalakshetra 1948, S.14-15.)
Siehe auch: Eichelberger, Harald: Handbuch zur Montessori-Didaktik. Innsbruck 2008. 4. Aufl. Studienverlag.
ÜBER DIE KOSMISCHE ERZIEHUNG
Harald Eichelberger
Begriffsvorstellung
Die imaginative Sicht des Kindes
Maria Montessori hat ihr pädagogisches Konzept einer Kosmischen Erziehung auf der Grundlage ihrer individuellen kosmischen Vorstellung und ihrer eigenen imaginativen Sicht der kindlichen Entwicklung geschaffen. Sie ging davon aus, dass der gesamten Schöpfung ein einheitlicher „Plan“ (=Schöpfungsplan nach M. Montessori) zugrunde liegt: Unsere Erde, die Natur, stellt eine Ganzheit dar, in der jedes Teil, jede Pflanze und jedes Lebewesen eine Aufgabe für das Ganze erfüllt. Umgekehrt dient das Ganze den einzelnen Teilen. Dadurch wird ein harmonisches Zusammenwirken erzielt und erhalten.[1] Zur Erklärung führt sie die ihrer Meinung nach ersten glänzenden Beispiele an, die Darwin über das enge Zusammenwirken zwischen blühenden Pflanzen und Insekten gegeben hat. Das Insekt, das ausfliegt, seine Nahrung in der Blüte der Pflanze zu suchen, führt unbewusst eine altruistische Aufgabe aus: die Bestäubung der Blüten. Es sichert auf diese Weise die Kreuzung und das Überleben der Pflanzen. Ähnlich führen alle anderen Lebewesen z.B. durch den Prozess ihrer eigenen Ernährung oder der Nahrungssuche eine „kosmische“ Aufgabe aus, die dazu beiträgt, die Natur in einem harmonischen Zustand der Reinheit zu erhalten.[2]
Die Verantwortung des Menschen
Innerhalb des Systems nimmt der Mensch eine Sonderstellung ein. Während die Natur unbewusst ihren vorbestimmten „Plan“ erfüllt, kann er Entscheidungen treffen. Der Mensch übt eine Veränderung auf die Natur aus. Diese Veränderung ist ( … das wissen wir besonders heute in einer Zeit der Umweltkatastrophen …) nicht immer positiv für die Natur – den Kosmos. M. Montessori sieht den Menschen eingebunden in einen kosmischen Schöpfungsplan. Ihre erklärte Vorstellung war die einer einzigen universalen harmonischen Gesellschaft, in der gegenseitigen Achtung, Hilfe für den Schwächeren, Dankbarkeit und Liebe vorherrschende Tugenden sind. Die Sonderstellung des Menschen besteht vor allem auch darin, dass – wie wir annehmen – der Mensch als einziges Lebewesen dieser Erde über Bewusstsein seines Tuns verfügt und daher die Folgen seiner Handlungen abschätzen kann. Nur er kann in Zukunft und Vergangenheit denken. Daraus resultiert, dass er als einziges Lebewesen bewusst Verantwortung übernehmen kann uns – moralisch gesehen – auch muss. Kosmische Erziehung ist daher auch zu einem wesentlichen Teil Erziehung zur Verantwortung sich selbst, den Mitmenschen und der Umwelt gegenüber. Die Kosmische Erziehung soll dem Menschen helfen, sich seiner kosmischen Aufgabe bewusst zu werden: „Das Werk der Schöpfung fortzusetzen“ (nicht in egoistischer Ausbeutung), sondern im „Dienst“ an dieser Schöpfung.
Zur kosmischen Theorie
Wir sind ein Teil der Schöpfung
Maria Montessori selbst sah ihre „kosmische Theorie“ in die Nähe der Religionen gerückt: „Wenn Gott die Wesen intelligent bewegt, gibt er dem Menschen Intelligenz selbst“.[3] Ihre Hoffnung war es, durch eine Kosmische Erziehung das Gewissen und die Verantwortung der Menschen in Harmonie vereinigen zu können. Viele der Vorstellungen M. Montessoris muten idealistisch an, haben aber heutzutage besondere Aktualität. Ihre Gedanken haben unsere im Wandel begriffene Einstellung zur Natur vor mehr als einem halben Jahrhundert schon vorweggenommen. Nicht als Herren der Schöpfung dürfen wir uns verstehen, sondern als Teil eines Ganzen. Kosmische Erziehung bedeutet für M. Montessori, dass sich Kinder in ihrer gesamten Persönlichkeit begreifen, verstehen und auch fühlen können.
Aufgabe einer Kosmischen Erziehung ist es nicht nur,
- dem Kind eine Vorstellung vom Zusammenspiel der Natur und des Menschen zu vermitteln, sondern auch
- dem Kind zu helfen, selbst eine Vorstellung vom Werden, dem Sein und den Veränderungen in diesem Universum bilden zu können – vor allem seine eigene höchst individuelle Vorstellung und
- seine Imaginationskraft entwickeln zu können.
In diesem Zusammenhang ist es wichtig, dass wir uns selbst und das Kind als Teil der Schöpfung betrachten und annehmen und ihnen mit der ihnen zustehenden Achtung und Liebe begegnen. Nur auf der Grundlage dieser Achtung und Liebe können sich Kinder auch in ihrem Werden als Teil der Schöpfung fühlen. Und nur dann können sie für sich lebensbedeutende Vorstellungen entwickeln, wenn wir diese ihre Vorstellungen auch wieder zutiefst als zu jedem Individuum gehörend achten.
Eine der faszinierendsten Besonderheiten von Maria Montessori war ihre Fähigkeit, das heutige Leben mit dem Leben in weit zurückliegender Vergangenheit in Zusammenhang bringen zu können. Ein einfacher Anlass konnte sie bewegen, einen panoramaartigen Überblick über die Entwicklung des Menschen bis zur Gegenwart zu entwerfen, wobei sie das Vorstellungsvermögen ihrer Zuhörer unwiderstehlich stimulierte.
IMAGINATIONSFÄHIGKEIT
Mario Montessori schreibt, dass ihre Entwicklung der Kosmischen Erziehung aus dieser ungewöhnlichen Fähigkeit erwuchs, Gegenwart und Vergangenheit durch imaginatives Denken zu verknüpfen. Wie sie selbst darlegte, (ist) die imaginative Sicht von der bloßen Wahrnehmung eines Gegenstandes gänzlich verschieden, denn sie hat keine Grenzen. Die Imagination kann nicht nur unendlich Räume durchmessen, sondern auch unendliche Zeitspannen; wir können die Epochen nach rückwärts verfolgen und eine Vision der Erde haben, wie sie damals war, mitsamt den Geschöpfen, die sie damals bewohnten. Um zu erfahren, ob ein Kind etwas verstanden hat oder nicht, sollten wir zu ermitteln versuchen, ob es sich eine geistige Vorstellung davon bilden kann, ob es über die Ebene des bloßen Verstehens hinausgegangen ist … Das Geheimnis eines guten Unterrichts ist es, die Intelligenz des Kindes als eine fruchtbares Feld anzusehen, auf dem Saat ausgestreut werden kann, um in der Wärme der feurigen Imagination[4] zu keimen. Deshalb ist es nicht nur unser Ziel, das Kind etwas verstehen zu lassen und, weniger noch, es zu zwingen, etwas im Gedächtnis zu behalten, sondern seine Imagination zu berühren, dass sein innerster Kern begeistert wird.[5]
Maria Montessori strebt im Unterricht und in ihrem Konzept einer Kosmischen Erziehung nicht bloß die Ausstattung des Kindes mit Wissen an. So wäre ihr auch das Wissen um ökologische Zusammenhänge als Bildungsfaktor für die Entwicklung des kindlichen Geistes zu wenig gewesen; selbst mit der Stufe des Verstehens gibt sie sich in ihrer Konzeption noch nicht zufrieden. Sie möchte vielmehr, dass Menschen „aus sich heraus“ mit unserer Hilfe ihre eigene Vorstellung (Imagination) von sich, der Natur und der Schöpfung bilden können. Sie beschreibt hier eine Qualität im Erziehungsgeschehen, die auch heute wahrscheinlich nur wenige Kinder genießen können. Vorstellungen bilden und Wahrheiten entdecken zu können hat auf die moralischen Einstellungen und die Bildung der humanistischen Werte eines Menschen einen großen Einfluss. Ich wage in diesem Zusammenhang die Hypothese, dass Menschen, die ihre eigenen Vorstellungen bilden durften, mit sich, ihren Mitmenschen und ihrer Umwelt moralisch verantwortungsvoller umgehen. Vielleicht ist dies sogar die Voraussetzung zur Friedfähigkeit …
Konzept einer kosmischen Erziehung
So wird es nach dem Konzept von Maria Montessori möglich sein, die Richtung zu prüfen, in die wir gehen, und Perspektiven zu entwerfen, nach denen man die Dinge so beeinflussen kann, dass wir mit unserer Anpassungsfähigkeit, unserer Intelligenz und unserer Kreativität einen konstruktiven Weg finden, mit dieser unserer Welt umzugehen – einer Welt, die ein wunderbarer Raum ist, um darin zu leben.
Die individuelle Persönlichkeit muss die Unabhängigkeit und Reife entwickeln, die erforderlich ist, um die augenblickliche Situation mit aller Deutlichkeit ins Auge zu fassen und sich die Zukunft zu vergegenwärtigen. Dann wird es möglich sein, die Richtung zu prüfen, in die wir gehen, und Perspektiven zu entwerfen, nach denen man die Dinge so beeinflussen kann, dass wir mit unserer Anpassungsfähigkeit, unserer Intelligenz und unserer Kreativität einen konstruktiven Weg finden, mit dieser unserer Welt umzugehen – einer Welt, die ein wunderbarer Raum ist, um darin zu leben …
Wenn man Montessoris Konzept der kosmischen Erziehung prüft, wird offensichtlich, dass das Erziehungs- und Entwicklungskonzept Maria Montessoris zur Entwicklung dieser Eigenschaften beiträgt.
Drei Aspekte der Konzeption einer kosmischen Erziehung
- Die konzeptionelle Sicht von der kindlichen, menschlichen Entwicklung
- Die Rolle der Erziehung und die Frage des angemessenen Weges, um den Kindern zu helfen, sich und ihre Fähigkeiten zu entwickeln
- Didaktische und methodische Aspekte zur Entwicklung der Imaginationsfähigkeit
Die konzeptionelle Sicht
Die konzeptionelle Sicht von der kindlichen Entwicklung wird durch die grundsätzliche Frage J. Piagets charakterisiert.
Die Bedeutung der Kindheit
… „ob denn die Kindheit nur ein notwendiges Übel sei, das man so schnell wir möglich beseitigen solle, oder ob wir verstehen können, dass Kindheit einen tieferen Sinn habe, den uns das Kind durch eine spontane Aktivität aufzeigen kann und den es in möglichst reichem Maße auskosten sollte.“[6]
Nach diesem eindeutigen Verweis J. Piagets auf die Eigenbedeutung der Kindheit, besteht Piaget darauf, dass das Recht auf eine ethische und intellektuelle Erziehung mehr bedeutet als nur das Recht, sich Wissen anzueignen, zuzuhören und zu gehorchen: es ist vielmehr ein Recht, gewisse wertvolle Instrumente für intelligentes Handeln und Denken auszubilden (siehe – z.B. Imaginationsfähigkeit …)
Dafür wird eine spezifische soziale Umgebung benötigt, nicht aber Unterwürfigkeit gegenüber einem festen System. Erziehung in der Schule und in der Familie muss auf die volle Entwicklung der menschlichen Persönlichkeit ausgerichtet sein. Sie sollte imstande sein, Individuen hervorzubringen, die sowohl intellektuell als auch moralisch autonom sind und solche Autonomie bei anderen respektieren, indem sie das Gesetz der Gegenseitigkeit anwenden, so wie es auf sie selbst angewandt wird. Diese Auffassung vom Menschen und der menschlichen Entwicklung beinhaltet ein erzieherisches Postulat:
Es kann nur dann möglich sein, ethisch denkende Menschen zu erziehen, wenn diesen in ihrem intellektuellen Lernen erlaubt ist, Wahrheiten selbst zu entdecken.
Die Rolle der Erziehung
Als eine Besonderheit an der Erziehungskonzeption M. Montessoris können wir festhalten, dass es ein erklärtes Ziel dieser großen Pädagogin war (ist), menschlichen Wesen bei der gewaltigen Aufgabe des inneren Aufbaus zu helfen, der erforderlich ist, um aus der Kindheit ins Erwachsenenalter hineinzuwachsen.[7] Nach der pädagogischen Theorie Maria Montessoris ist die erste Integration des Menschen in seine Welt in den ersten sechs Lebensjahren von besonderer Bedeutung für die Entwicklung des Menschen Wir helfen den Kindern bei ihrer Entwicklung durch die Übungen des täglichen Lebens und durch die Übungen zur Sinnesschulung. Wir helfen den Kindern, dass sie Ordnungen finden können, dass sie in Bewegung lernen und ihre eigenen Fortschritte machen können.
Ab dem sechsten Lebensjahr beginnt bei vielen Kindern ein neuer und ebenso bedeutender Entwicklungsabschnitt in ihrem Leben: nicht mehr die Integration ihrer Persönlichkeit in ihre Umwelt, sondern die Integration ihrer selbst steht im Vordergrund.
Wenn ein Kind in den ersten sechs Lebensjahren die Hilfe erhalten hat, wie wir sie oben beschrieben haben, findet „eine Integration der Persönlichkeit“ ungefähr um das sechste Lebensjahr herum statt.[8] „Die kosmische Erziehung bietet die Art von Hilfe, die die neuen, auf dieser ersten Integrationsebene konsolidierten Potentialitäten aktiviert. Der Weg für diese Aktivierung ist durch indirekte Vorbereitung auf einer früheren Stufe geebnet worden. Alle Erfahrungen, die dem Kind früher in der vorbereiteten Umwelt geboten wurden, waren Grunderfahrungen, die entweder für die Ausbildung späterer Funktionen oder als Schlüssel gebraucht wurden, durch die es seine Welt erkunden oder sich in ihr orientieren konnte. Wenn es diese zweite Phase der Reife erreicht, sollte ihm eine umfassendere Sicht der Welt geboten werden, d.h. eine Sicht des ganzen Universums.“[9]
Die Fragen der Kinder
Tatsächlich beginnen Kinder in diesem Alter die für ihre geistige Entwicklung wichtigen philosophischen Fragen zu stellen:
„Wer hat die Welt gemacht?“
„Woher kommt die Welt?“
„Woher komme ich?“
…
In Konsequenz einer Konzeption der Kosmischen Erziehung kann es nun nicht darum gehen, den Kindern abgeschlossene und ihr Denken und Fragen abschließende Antworten zu geben. Vielmehr geht es darum, die Imaginationsfähigkeit der Kinder anzuregen, sodass sie ihre eigenen Vorstellungen ihre Fragen betreffend entwickeln können. Wir erzählen ihnen unsere Vorstellung als Geschichte und sagen auch dazu, dass dies unsere Vorstellung ist und auch wir nicht ganz genau wissen, ob es wirklich so war … und geben den Kindern auch hier Material für ihre Entwicklung.
Wie sollen diese Geschichten beschaffen sein, welche Materialien sollen wir den Kindern in die Hände geben? Maria Montessori gibt uns einen wesentlichen Hinweis, wie wir dem Interesse der Kinder am Universum und am Universellen, ihrem Interesse am Großen und Umfassenden begegnen können: Den Kindern die Details geben, aus denen sie das Ganze erschließen können.
Wir erzählen unsere eigene Geschichte, wie wir uns vorstellen, dass die Erde oder das Universum entstanden ist – unsere eigene Vorstellung…
Wir erzählen Geschichten
Es ist nicht leicht für LehrerInnen, die Details auszuwählen, aus denen für Kinder das Ganze erschließbar wird. Martin Wagenschein gibt uns hier sicher einige Hilfen, wenn wir sein Prinzip des Exemplarischen beachten, das wunderbar zum Konzept einer kosmischen Erziehung passt. Hier kann nur auf seine wichtigen Bücher verwiesen werden:
Wagenschein, Martin, in: Roth, Heinrich, Zum pädagogischen
Problem der Methode, „Grundlegende Aufsätze aus der
Zeitschrift Die Deutsche Schule, Reihe A, Bd.6;
EXEMPLARISCHES LEHREN, hrsg. zusammen mit Blumenthal, H.
Schroedel-Vlg. Hannover 1965
Wagenschein, Martin, Verstehen lehren,
Weinheim 1982,
Wagenschein, Martin, Erinnerungen für Morgen, Beltz-Vlg.,
Weinheim 1983
„Kinder dieser Altersstufe sind fasziniert, weil diese Geschichte sie persönlich betrifft. Sie beginnen, sich ihrer eigenen Situation als sich entwickelnde menschliche Wesen bewusst zu werden und sie werden auf natürlich Weise des Unterschieds zwischen dem Menschen und anderen Lebewesen gewahr. Zwischen beiden und der Umwelt besteht eine Wechselbeziehung. Diese Wechselbeziehung wird deutlich in dem, was Maria Montessori als kosmische Aufgabe bezeichnet – den Dienst, den die Individuen, den die Individuen jeder Spezies ihrer Umwelt leisten müssen, von der ihre Existenz abhängt, um sie in der Weise zu erhalten, dass sie auch ihren Nachkommen, Generation nach Generation, Unterhalt bietet.“[10]
Die Wechselwirkung zwischen Mensch und Umwelt ist jedoch eine spezifische:
Er hat nicht nur den Drang, sich an die Umwelt anzupassen, sondern sie auch, dem eigenen Fortschritt angemessen zu verändern, gemäß seinen Bedürfnissen und seiner Imagination (oder deren Mangel). Eben das nannte Maria Montessori die kosmische Aufgabe des Menschen: das Werk der Schöpfung fortzusetzen.
Didaktische und methodische Aspekte
Das Interesse der Kinder bestimmt die Arbeiten und Materialien, die die Erzieher bereitstellen. Es ist aber bei der kosmischen Erziehung auch die Aufgabe des Lehrers, das Interesse des Kindes zu wecken, sei es durch eine Geschichte, ein Bild, einen Hinweis etc. Ist das Interesse einmal geweckt, so wird das Kind auch allein weiterforschen. Arbeitsmittel, die es dazu benötigt, wie Globen, Pinzette, Mikroskop, Fossilien, Experimentiermaterialien, Karteien, Karten und Bücher, sollte es in der Klasse vorfinden.
Während der Freiarbeitsphase haben die Kinder dann die Gelegenheit, sich mit den Inhalten der einzelnen Erfahrungs- und Lernbereiche eigenständig und individuell auseinanderzusetzen, ihre Neugier zu befriedigen, ihren Wissensdurst zu stillen und ihre speziellen Interessen wahrzunehmen, auch wenn sich diese von denen ihrer Mitschüler grundlegend unterscheiden.
Um diese selbständige, zielerreichende Arbeit zu ermöglichen, sind bestimmte Rahmenbedingungen unerlässlich:
- eine bis ins Detail gut vorbereitete Umgebung, die übersichtlich gestaltet ist, ausreichende Lernanregungen bietet und jede Möglichkeit zur Selbstkontrolle der Lernprozesse beinhaltet;
- eine umfangreiche Sachbücherei;
- eine flexible Sitzordnung, die kooperative Arbeitsweisen erleichtert;
- ein Klima gegenseitigen Vertrauens;
- eine Lehrkraft, die die nötigen Hilfestellungen gibt und sensibel auf spezielle Interessen reagiert.
Diese lernanregende, vorbereitete Umgebung wird nach jeweiligen Bedürfnissen der Kinder während des Jahres in Zusammenarbeit von Lehrerin und Schülern ergänzt bzw. umgestaltet.
Die unterschiedlichen Arbeitsergebnisse und die neu erworbenen Kenntnisse werden – teilweise fächerübergreifend – ihren Niederschlag finden:
- in individuell gestalteten Plakaten,
- in selbst entwickelten Lernspielen,
- in eigenständig erarbeiteten Lernkarteien,
- in Ergänzung und Erweiterung bereits vorhandener Karteien,
- in selbst verfassten Texten,
- in übersichtlich arrangierten Fensterbrettausstellungen,
- in originell gestalteten, sachlich richtigen Büchlein,
- in verschiedenen selbst angelegten Sammlungen,
- in eigenständig entwickeltem Arbeitsmaterial, das den anderen Mitschülern zur Verfügung gestellt wurde.
Kinder können bei dieser Arbeitsweise nicht nur ihr Selbstwertgefühl stärken, sondern auch Verständnis für die Leistungen und Interessen ihrer Mitschüler entwickeln. So wird auch dem Erfahrungs- und Lernbereich Gemeinschaft im Rahmen der Freiarbeit intensiv Rechnung getragen.
Themenbereiche – exemplarisch (teils noch von M. Montessori vorgeschlagen und ausgearbeitet)
Themenbereich: Geschichte des Universums
- Einstimmung in die Geschichte des Universums: Bildung der Vorstellung des Kindes, dass jeder Mensch ein Teil dieses Universums ist …
- Die Arbeit an der Schöpfungsgeschichte nach M. Montessori:
- Erzählen der Geschichte
- Experimente – z. B. Vulkanausbruch
- Zeichnungen – Tafeln zur Unterstützung der Imagination
- Finden einer eigenen Geschichte (Imaginationskraft) der Entstehung des Universums, der Welt, der Tiere, der Menschen
- …
- Die Orientierung in der Geschichte der Erde:
- Die Arbeit mit dem Schwarzen Band (auch buntes Band)
- Erzählen der Geschichte des Werdens der Erde
- Entrollen und Auflegen des Schwarzen Bandes
- Arbeit mit dem schwarzen Band – Orientierung in der Zeit
- Arbeit mit Fossilien, Büchern, Zeittafeln, …
- Die Zeitalteruhr
- Evolutionszeitleisten
- Beispiel der Saurierzeitleiste
- Lineare Zeitmessung
- Lineare Zeitmessung in der Geschichte des Individuums
- – …
Beispiel 1 – Zur Schöpfungsgeschichte
M. Montessoris Schöpfungsgeschichte, die sie selbst den Kinder erzählt hat, ist wunderschön und sicher auch hoch interessant, aber für Kinder in der heutigen Zeit nicht immer mehr geeignet. Außerdem ist es in jedem Fall besser, seine eigene Schöpfungsgeschichte den Kindern zu erzählen. Es kann Tage und/oder Wochen dauern, den Kindern immer wieder ein Stück der Schöpfungsgeschichte zu erzählen und mit ihnen auch einige Experimente zu machen, die das Geschehen während der Schöpfung des Universums für Kinder auch im wahrsten Sinne des Wortes begreifbar machen. Ganz besonderes Interesse erregt in diesem Zusammenhang sicher der Vulkan, den wir mit den Kindern zusammenstellen und der dann auch ausbrechen wird. Selbstverständlich sind alle Materialien anschließend auch in der Freiarbeit vorhanden, sodass die Kinder das Geschehen auch immer wieder nachvollziehen können und auch ihre eigene Schöpfungsgeschichte finden können …
Beispiele zur Schöpfungsgeschichte
- Am Anfang der Schöpfungsgeschichte sind es vor allem Experimente zur der Geschichte der Elemente, die sich verbinden und einen neuen Stoff ergeben und Experimente zu den Elementen, die sich nicht verbinden, zu warm und kalt, zu fest, flüssig und gasförmig und …
- Verschiedene Stoffe werden in Flüssigkeiten aufgelöst…
- Kinder beobachten und bilden ihre eigenen Hypothesen und Vorstellungen.
- Im Lauf der Entstehung der Erde sind die schweren Stoffe abgesunken; andere – leichtere Stoffe kamen hingegen an die Erdoberfläche …
- Die Vulkane haben in der Geschichte der Erde und in der Geschichte der Menschheit eine wesentliche Rolle gespielt: ohne die Vulkane gebe es wahrscheinlich keine Erdatmosphäre in der jetzigen Zusammensetzung und damit auch kein menschliches Leben, zumindest keine das abhängig ist von der Existenz des Sauerstoffes.
Beispiel 2 – Schwarzes Band
Das Schwarze Band ist genau 50 Meter lang und ca. 30 – 40 cm breit. Die Breite spielt keine Rolle. Die Länge des Bandes stellt die Zeitdauer der Entwicklung der Erde dar. Jeder Zentimeter ist eine Million Jahre – sind bei 50 m 5 Milliarden Jahre. Die wahrscheinliche Entwicklungsdauer unserer Erde. Nur der letzte Zentimeter besteht aus einem roten Streifen – die Entwicklungsdauer des Menschen. Wir Rollen das Schwarze Band mit den Kindern auf, erzählen vielleicht die Geschichte der Erdentwicklung, gehen das Band mehrmals ab, versuchen die Zeit zu begreifen, vielleicht einzuteilen, (Wann kann was geschehen sein? Wohin lege ich diese oder jene Fossilien? Wo finde ich das Königreich der Trilobiten? usw.). Es ist imposant, diese lange Zeit zu sehen und zu symbolisch zu erleben. Die Arbeit wird dann mit verschiedenen Zeitleisten fortgesetzt.
Es kann auch das „Bunte Band“ im Anschluss an das Schwarze Band mit den Kindern gearbeitet werden. Jede Farbe symbolisiert hier ein Erdzeitalter.
Beispiele zum Schwarzen Band
- Wir erleben die Dimension der Zeit der Entstehung der Erde und die Relationen der Entstehung des Lebens und der Arten auf dieser Erde
- Wann sind eigentlich die Saurier auf der Erde entstanden, und wie lange sind sie geblieben, und wie lange gibt es den Menschen schon auf der Erde, und wie lange wird er bleiben?
Themenbereich: Zeit
Auch das Erleben individueller Zeitspannen ist für die Entwicklung des Kindes von entscheidender Bedeutung.
Im Jahreskreis geht jedes Kind seinen individuellen Lebensweg nochmals ab und erzählt seine Geschichte.
Beispiel zur Zeit: Jahreskreis
Wie lange bin ich nun schon auf dieser Welt, was habe ich alles erlebt?
Themenbereich – Biologie
Beispiele:
- Themen der Biologie exemplarisch und Experimente
- Wachstum und Ökologie:
- Bedingungen des Lebens und des Wachstums:
- Pflanzenexperimente
- Pflege der Pflanzen und der Tiere
- Beobachtungsaufgaben
Themenbereich – Geographie
Beispiele:
- Exemplum: Der Kreislauf des Wassers
- Kreislauf
- Erosion
- Aggregatzustände
- Schwerkraft
- Experimente und Beobachtungen
Beispiel: Flussbett
Wir haben ein Flussbett gebaut, um die Kraft des Wassers zu studieren. Wir lassen es regnen und beobachten die Kraft des Wassers und dessen Wirkung auf die Erde und die Pflanzen.
Thema: DIE ERDE IN UNSEREM SONNENSYSTEM
Beispiele:
- Unser Sonnensystem
- Planeten
- Stellung Erde – Sonne
- Jahreszeiten
- Tag – Nacht
Zusammenfassung
Die Kosmische Erziehung ist keinesfalls ein Teilbereich der Montessori-Pädagogik. Sie ist vielmehr der Überbau oder die pädagogische Klammer der Montessori-Pädagogik. Auch die Entdeckung der Mathematik, die Entdeckung der Sprache und der Naturwissenschaften sind Teile der von M. Montessori so verstandenen Kosmischen Erziehung des Menschen:
Das Detail annehmen, aus dem wir das Ganze erschließen können, Wahrheiten selbst (er)finden, die Schöpfung Gottes fortsetzen, können Kinder, deren sensible Phasen die entsprechende Berücksichtigung für ihre Entwicklung gefunden haben, denen mit Achtung vor der Entwicklung jedes Lebewesens begegnet worden ist, und die selbsttätig und selbständig in Eigenverantwortung lernen und leben durften.
Piaget erstellt nicht unbegründet die Hypothese, dass so erzogene Menschen in ihrer Moralität und Einstellungen sich selbst und der Welt gegenüber verantwortungsvoller und friedfähiger denken, fühlen und sich verhalten können.
Das Konzept der Kosmischen Erziehung und damit die Berücksichtigung der pädagogischen Prinzipien Maria Montessoris haben als pädagogische Leitlinien und als in sich geschlossenes pädagogisches System für jegliches pädagogisches Handeln allgemeine Gültigkeit erlangt.
[1] … Vgl. Montessori, M., Von der Kindheit zur Jugend
[2] … Vgl. Montessori, M., Von der Kindheit zur Jugend
[3] … Vgl. Montessori, M., Von der Kindheit zur Jugend
[4] … Imagination – Einbildungskraft, Vorstellungskraft
[5] … Montessori, Maria, To Educate the Human Potential. Adyar, Indien:
Kalakshetra 1948, S.14-15
[6] … Piaget, Jean, Das Recht auf Erziehung und die Zukunft unseres
Bildungssystems, München 1975
[7] … Vgl. Montessori, Mario, Erziehung zum Menschen, S 131 ff.
[8] … Maria Montessori versteht darunter, dass sich das Kind nur verstärkt sich
selbst, der bewußten Entwicklung seiner Persönlichkeit und metaphysischen Fragen zuwendet
[9] … Montessori, Mario, Erziehung zum Menschen
[10] … Montessori, Mario, Erziehung zum Menschen